Der Vorgang erinnert an die „Idomeneo“-Absage in der Deutschen Oper. Deren Intendantin hatte 2006 Mozarts Werk aus Angst vor islamistischen Attacken abgesetzt. Nun ist es die Werkstatt der Kulturen in Neukölln, die offenbar aus Sorge, nahöstliche Befindlichkeiten zu verletzen, einer seit Monaten geplanten Ausstellung die Tür verschließt. Streitpunkt sind drei von 96 Schautafeln zum Thema „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“.

In der Schau, die am 1. September eröffnen sollte, geht es um Soldaten aus Afrika und Asien, um Zwangsarbeiter und Sexsklaven. Und es geht, eher am Rande, um Kollaboration mit den Nazis. Diese gab es etwa in Indien oder Argentinien, aber eben auch im Nahen Osten. So schildert eine der umstrittenen Tafeln, wie der oberste Repräsentant Palästinas, Hadsch Amin al Husseini, in Deutschland von Heinrich Himmler zum SS-Gruppenführer ernannt wurde. Eine zweite Tafel benennt die „Sympathisanten der Faschisten im Nahen Osten“ wie Ägyptens König Faruk; eine dritte würdigt „Arabische Retter“, die Juden vor dem Tod bewahrten.

Für die Werkstatt der Kulturen und deren Geschäftsführerin Philippa Ebéné sind diese Darstellungen nicht akzeptabel. Sie verlangt, die drei Tafeln wegzulassen oder will vom Hausrecht Gebrauch machen.
Ausstellungsmacher Karl Rössler vom Kölner Verein „recherche international“ will jedoch die Schau (im Internet unter www.3www2.de) „ganz oder gar nicht zeigen“. Er spricht von „Zensur“ und zieht nun in die Uferhallen in Wedding.

Ebéné weist den Vorwurf der Zensur zurück; ein Ausstellungskonzept, in dem es auch um Mitschuld gehe, sei nie abgesprochen gewesen. „Geplant war eine Hommage an die gefallenen POCs (People of Colour), die Deutschland vom Faschismus befreiten“, sagt sie. Für eine Völkerschau nach dem Motto „Edler Wilder, böser Wilder“ stehe die Werkstatt nicht zur Verfügung. Auch bei anderen Gedenkveranstaltungen, etwa zu Stauffenberg, zeige man nicht auf die Kollaborateure. Dass Rössel dies gemacht habe, nennt sie „rassistisch“.

Berlins Migrationsbeauftragter Günter Piening äußert Verständnis für die Absage. „In einem Viertel wie Neukölln brauchen wir eine differenzierte Darstellung der Verwicklung der arabischen Welt in den Zweiten Weltkrieg“, sagt er. Der Widerstand von arabischer Seite werde in der Schau nicht ausreichend gewürdigt. Für Freitag hat er die Beteiligten zum Gespräch eingeladen. Der Nahostexperte Wolfgang G. Schwanitz hält die Darstellung von Amin al Husseini in der Schau für korrekt. Dieser sei keine Randfigur gewesen, Hitler sah in ihm den „berufendsten Sprecher der Araber“, sagt er, das könne man nicht aus der Geschichte verbannen.

Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) ärgert sich über die Werkstatt der Kulturen, die mit öffentlichen Geldern gefördert wird: „Gerade die Werkstatt reklamiert für sich, ein Ort der Freiheit und Kultur zu sein. Geschichte muss man aushalten können.“ Buschkowsky vermutet hinter der Absage die Intervention arabischer „Platzhirsche“.



(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 27.08.2009)