"Wir möchten uns öffnen, Vorurteile abbauen" Moschee in Ahrensburg ...

Hamburger Abendblatt

Moschee in Ahrensburg

Der Imam lädt Politiker, Juden und Christen ein

Von Alexander Sulanke 19. August 2009, 06:00 Uhr

Hüseyin Özle setzt auf Begegnung: Die Wenigsten wissen, dass es diese Einrichtung gibt, sagt der Migrationsbeauftragte der Arbeiterwohlfahrt.




Imam Hüseyin Özle und Awo-Migrationsberater Mehmed Aydemir zeigen den Gebetsraum der Etagen-Moschee. Foto: Sulanke

Ahrensburg. Die Haustür geht vom Innenhof mit Parkplatz ab, sie steht offen. Eine schmale Treppe, die Stufen mit erblasstem Naturstein belegt, führt hinauf in die erste Etage des Geschäftshauses aus den 80er-Jahren, das sich mit seiner braunen Klinkerfassade in Nichts von den benachbarten unterscheidet. Oben öffnet sich die Tür. Und da steht er, einladend lächelnd: der Imam.

Hüseyin Özle, 44 Jahre alt, ist der Hausherr in der Ahrensburger Moschee, die - einen Stock über der Großen Straße gelegen - getrost Etagen-Moschee genannt werden kann. Wer hätte gewusst, dass es so etwas gibt in der Schlossstadt? "Die wenigsten Ahrensburger wissen das", sagt Mehmed Aydemir (53).Und das sei inzwischen auch der islamischen Gemeinde aufgefallen. Die wolle sich nun öffnen. So, wie es Stormarns andere - und wohl deshalb auch wesentlich bekanntere - islamische Gemeinde in Bad Oldesloe bereits macht.

Maschinenbauingenieur Aydemir, der die Migrationsberatungsstelle der Awo nebenan im Peter-Rantzau-Haus betreut, ist kein Mitglied im Moscheeverein. Aber er ist mitgekommen in die Etagen-Moschee, ist in die Rolle eines Dolmetschers geschlüpft. Denn der Imam spricht Türkisch und Arabisch, aber kein Deutsch. So beginnt der eine zu erzählen, der andere zu übersetzen. Doch wer Mehmed Aydemir kennt, weiß, dass es genauso gut seine eigenen Worte sein könnten: "Viele Muslime leben schon 30 Jahre oder länger in Ahrensburg. Wir möchten uns öffnen, wir möchten bekannter werden, wir möchten Vorurteile abbauen. Wenn wir uns alle besser kennenlernen, bringt das alle Seiten weiter."

Der Fastenmonat Ramadan, der in diesem Jahr am kommenden Sonnabend beginnt und bis Sonntag, 20. September, dauert, soll Anlass sein. "Im Ramadan spricht man über Freude, über das Leben, über menschliche Angelegenheiten an sich", übersetzt Aydemir. Für einen Abend Anfang September hat der Moscheeverein nun Vertreter der christlichen und der jüdischen Gemeinden in Ahrensburg, die Bürgermeisterin und Vertreter der politischen Parteien in die Etagen-Moschee eingeladen. "Die Kirchen und die Bürgermeisterin haben schon zugesagt", berichtet Mehmed Aydemir, der diese Aktion unterstützt, und fügt hinzu: "Das wird das erste Treffen dieser Art in Ahrensburg." Das erste, seit der Moscheeverein vor 14 Jahren gegründet worden ist.

Das Mittagsgebet ist gerade zu Ende. Drei Männer sind noch da, sitzen in einer Mischung aus Büro und Esszimmer um einen Tisch, auf dessen weißer Decke ein Bukett aus hellblauen Kunstblumen steht. Einer von ihnen ist Abdullah Arslan (54) aus Ahrensburg, Steinsetzer, ein Mann deutlicher Worte. "Seit 1995 hier sitzen und sagen, wir haben einen Moscheeverein - so wird das nichts mit Integration. Wir müssen rausgehen und uns öffnen." Er wirkt dabei nicht wie einer, der nicht integriert wäre. Nach 32 Jahren in Deutschland.

Imam Özle ist noch nicht so lange da, nämlich erst seit ein paar Wochen. Der türkische Staat zahlt sein Gehalt, seine Stelle ist auf zunächst zwei Jahre befristet. Özle führt in den Gebetsraum, gewissermaßen ins Herz der Etagen-Moschee. Die Wände mit weiß getünchter Rauhfaser tapeziert, die niedrige Decke mit tükisfarbenen Linien bemalt, die sich in der Raummitte kreuzen und mit viel Fantasie vielleicht eine nicht vorhandene Kuppel darstellen: Die Etagen-Moschee hat ein nüchternes Herz. Aber es ist alles vorhanden, was eine Moschee ausmacht: Der Mihram, jene Gebetsnische, in der der Imam den Koran rezitiert; der froschgrüne Teppichboden mit seinen kunstvollen, weiß-roten Bogen, die dem Mihram zugewandt sind und die Gebetsrichtung vorgeben; die Minbar, von der der Imam beim Freitagsgebet oder an Feiertagen predigt. Ein Minarett gibt es nicht, nur ein kleines Modell davon an einem Fenster. Auf der Milchglasscheibe eines weiteren Fensters ist der Scherenschnitt einer großen, einer prächtigen Moschee zu erkennen.

Dass sie so eine in Ahrensburg nie haben werden, wissen die 80 Mitglieder der Gemeinde. Aber ein bisschen mehr Platz bräuchten sie schon, sagen sie. Freitags platze der 40 Quadratmeter große Gebetsraum aus allen Nähten. Nur: "Erklären Sie mal einem Makler, dass Sie eine Moschee eröffnen wollen", sagt Mehmed Aydemir.

Abdullah Arslan und die beiden anderen Männer sind auf dem Balkon gewesen - rauchen. Nun setzen sie sich wieder an den Tisch mit dem Kunstblumen-Bukett. Jamal Hussen (52), erzählt von der Gemeinde, deren Einzugsgebiet von Bargteheide bis Hamburg-Meiendorf, von Ammersbek bis rüber nach Siek reiche. Das sei an sich schon ein multikulturelles Grüppchen. "Türken, Albaner, Aserbaidschaner, Afghanen, Somalis", zählt Hussen auf. Und Libanesen, so wie er. 25 Jahre lebt er in Ahrensburg, und wenn er spricht, schwingt in seinem Akzent ein wenig norddeutscher Einschlag mit. Hussen ist Koch. "Deutsche Küche", sagt er trocken.

Der Imam setzt sich zu den Männern. Hussen erklärt: "Wir sprechen über unsere Arbeit, über unsere Kinder, überhaupt über alles." Der Imam ist für sie nicht nur ein Vorbeter, sondern auch ein Ratgeber. Ein Ratgeber, den sie rund um die Uhr besuchen können: Für Hüseyin Özle ist die Etagen-Moschee zweites Zuhause. Das erste, der Ort, an dem seine Frau, seine beiden Töchter und der Sohn leben, ist ein Dorf nahe Istanbul.

Aufbruch. Die Männer müssen zur Arbeit. Der Imam verabschiedet sie, hinter ihnen fällt die Tür zur Etagen-Moschee zu. Vor ihnen liegt ein deutsches Treppenhaus.

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