Welche Religionen es wirklich bringen

Ein nicht ganz ernst gemeinter Ratgeber



Für die Strandfigur der Jainismus, für den Millionen-Verdienst das Christentum – wer will wirklich auf das ewige Leben warten? Ein nicht ganz ernst gemeinter Ratgeber erklärt, wie man die Weltreligionen im Hier und Jetzt zum eigenen Vorteil nutzbar macht.

Von Martin Helg

Es ist mehr als 200 Jahre her, dass Kant das Zeitalter der Aufklärung begründete. Es ist mehr als 150 Jahre her, dass Darwin die Evolutionslehre entwickelte. Es ist mehr als 100 Jahre her, dass Nietzsche Gott für tot erklärte. Aber bis heute haben wir nicht aufgehört zu glauben.

Wir glauben an das iPhone von Apple. Wir glauben an den Jackpot im Lotto. Wir glauben an Gott und an Götter. Dass wir glauben, liegt in unserem Wesen. Woran wir glauben, steht uns frei – jedenfalls in modernen Demokratien. Das zwingt uns zu Entscheiden. Ist der muslimische Gott der richtige oder der christliche? Sollen wir dem Geld oder dem Sex huldigen? Oder glauben wir besser an gar keinen Gott? Wo uns früher Gewissheit umfing, Glaubensgewissheit, plagt uns heute die Angst vor Fehlern. Niemand will sein Leben lang blind glauben, um am Ende seiner Tage festzustellen, dass er in den falschen Fonds investiert hat.


Vorteile schon im Diesseits

Wer sich vom Jenseits nicht viel verspricht, tut gut daran, seine Wahl am Hier und Jetzt auszurichten. Dabei hilft ihm ein Buch von Michael Kernbach, einem früheren Mitarbeiter des Schlagersängers Guildo Horn. «Best of Gott. Glaubenshopping leicht gemacht» ist eine Anleitung zum Instant-Gebrauch von religiösen Heilsingredienzien. Es trägt dem Umstand Rechnung, dass an die Stelle der alten Gewissheiten neue Maximen getreten sind, allen voran die Maxime des Glücks: Es ist, bitte sehr, an der Zeit, jetzt sofort ein wenig glücklich zu sein! Kernbach zeigt, wie uns die Götter dabei helfen können.

Sein Ansatz ist eklektizistisch und muss es sein, denn nicht jeder Glaube eignet sich für jede Lebenslage. Wer morgens innere Ruhe sucht, zieht den Buddhismus dem Dionysos-Kult vor, wer abends gern ein Glas trinkt oder der Liebe frönt, hält es wahrscheinlich umgekehrt. Seinen Feinden die Pest an den Hals wünscht man am besten mit dem Voodoo-Kult. Für zivilisierte Mitmenschlichkeit ist das Christentum geeignet. Man müsse «zur rechten Zeit das Rechte zu glauben» wissen, schreibt Kernbach. Im Detail legt er dar, wie man seine Optionsscheine am besten über die Religionen verteilt, um in jedem Alltagsbereich handfeste Vorteile zu erwirtschaften.

1. Für mehr Leistung. Ein gute Basis für berufliche und private Spitzenleistungen bietet der Protestantismus, wie beispielsweise die Erfolgsgeschichte der erzprotestantischen Vereinigten Staaten zeigt. In seinem Soziologie-Klassiker «Die protestantische Arbeitsethik und der Geist des Kapitalismus» (1904/5) hat Max Weber diese Disposition schlüssig dargelegt. Deswegen nun alle Arbeitsenergie auf die Karte Protestantismus zu setzen, wäre aber auch keine gute Idee, droht doch die Gefahr des Workaholismus. Johann Kaspar Lavater hat schon im 18. Jahrhundert festgehalten, Protestanten wie er könnten selbst im Himmel «ohne Beschäftigung nicht gesegnet sein».


Blasser Teint dank Ramadan

2. Für die Karriere. Karrieristen sind multireligiös. Schon beim Bewerbungsgespräch wirkt sich das Bekenntnis zu nur einer Religion ungünstig aus. Hier ist es ratsam, von regelmässigen Glaubenswechseln zu reden und damit Alpha-Tugenden wie Flexibilität, Aufgeschlossenheit, Lernbereitschaft und kulturelles Interesse zu bezeugen. Die Bemerkung «ich war eine Zeitlang Mormone» macht Arbeitgebern klar, dass man seine Leistung auch ohne die Drogen Alkohol, Tabak, Kaffee und Tee zu erbringen weiss; der Hinweis «ich habe eine Zeitlang die Kulte der Hopi-Indianer praktiziert» qualifiziert einen für Spezialaufgaben wie Regenmachen mit Holzfiguren. Dem Rucksack mit der Aufschrift «Islam» kann man den Fastenmonat Ramadan entnehmen. Geschwächte Konzentration und blasses Aussehen bescherten «eine entspannte Schreibtisch-Situation», schreibt Karnbach – «und ein Spitzenabendessen».

3. Für mehr kulinarischen Genuss. Auf dem Gebiet der Kulinarik empfiehlt sich das Christentum. Abgesehen von Menschengerichten erlaubt es fast jede Schlemmerei, nicht zuletzt die fleischliche Sünde (sofern sie tatsächlich am Herd und nicht etwa im Bett angerichtet wird). Grillfans kommen in germanischen Götterkulten auf ihre Kosten, Liebhaber karibischen Essens in der Voodoo-Küche Haitis. Für den Kalorienabbau empfiehlt Karnbach erneut ein paar Tools aus dem christlichen Baukasten: «Nordic Walken Sie zum Gottesdienst – und wieder zurück.» Oder: «Tragen Sie eine Pilgerstandarte vor sich her.» Bei hartnäckigen Fettpolstern hilft allerdings nur der Wechsel zum südostasiatischen Kult des Jainismus. Hier sind dem Streben nach der Idealfigur keine Grenzen gesetzt, das Hungerfasten bis zum Tod gilt sogar als Mittel zur Erlösung.


Loafers von Prada


4. Für mehr Stilbewusstsein. Zugegeben: Viele Religionen achten bei der Kleiderwahl vor allem auf das Kriterium der Tragbarkeit. Verbreitet sind unifarbene Hüllenkleider für beide Geschlechter, wobei asiatische Religionen wie Hinduismus und Buddhismus mit einer aparten Farbpalette und variantenreichen Schnittmustern auftrumpfen. Das Prestige von Markenprodukten wie roten Loafers von Prada bleibt ein Privileg höherer Chargen: Im bewussten Fall von Benedikt XVI., dem Oberhaupt der Katholiken.

5. Für mehr Ferien. Die meisten Weltreligionen sind reisefreundlich. Der Katholizismus bietet Pilgerreisen nach Einsiedeln, Lourdes oder Rom und Kreuzfahrten nach Jerusalem; der Islam lockt mit Mekka; Buddhisten und Hindus buchen Reisen auf den Adam's Peak, den heiligen Berg Sri Lankas.

6. Für mehr Spass. Wenn der Durst in der Kehle kratzt, muss der Pilger wissen, welcher Gott ihm ein kühles Bier gönnt. Die alte Religion der Kelten hat gegen einen ordentlichen Schluck nichts einzuwenden, der Kult des Bacchus, des Spezialisten für Traubensaft, genauso wenig. Körperliche Wonnen versprechen Hippie-Sekten rund um den Buddhismus, Drogenkonsum auf Gebetsschein gibt es bei Indianerstämmen, die die halluzinogene Pflanze Peyote kauen. Oder bei den Rastafari: Ihnen ist Gras eine meditative Hilfe.

Michael Kernbach: Best of Gott. Glaubenshopping leicht gemacht. Carlsen-Verlag.

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