Düsseldorf. „Ein Verbotsverfahren ist aussichtslos.” Innenminister Ingo Wolf hält aus Erfahrung nichts davon, die NPD auf juristischem Weg eliminieren zu wollen. „Man muss den braunen Sumpf über gesellschaftliche Kräfte austrocknen” - heißt: das verquere Gedankengut bekämpfen, Bildung und Aufklärung betreiben.
Der Verfassungsschutz nennt die - leicht gestiegene - Zahl von rund 800 NPD-Mitgliedern. Sie gehören 37 lokalen Verbänden an, die in 45 der 54 Kreise in NRW präsent sind und Kandidaten für die Kommunalwahl am 30. August aufstellen wollen. Fast überall, wo sie bei der Wahl 2004 angetreten waren, haben sie mindestens ein Mandat errungen. Der Innenminister weist darauf hin, dass die Wähler es diesmal mit einer „Verdreifachung” der Kandidaturen zu tun bekommen.
Krawall ist cool - bei linken wie rechten Autonomen
Die gestärkte kommunale Basis soll auch den Boden bereiten für die Landtagswahl 2010. Deshalb müsse, so Wolf, frühzeitig die „plumpe Demagogie der NPD” entlarvt werden. Ohne Zweifel sei die NPD verfassungsfeindlich. Sie bemühe sich, sich als vermeintliche soziale Protestbewegung bürgerlich zu tarnen. Insofern sei sie mancherorts nicht mehr so leicht erkennbar wie zu Zeiten, in denen sie nur stiefelbewehrt und dumpfe Parolen grölend auftrat. Immer wieder werde aber jetzt auch die Zusammenarbeit mit neonazistischen Kameradschaften und gewaltbereiten „autonomen Nationalisten” beobachtet, erklärte der Minister gestern.
Diese Szene wird nach Angaben des Verfassungsschutzes immer jünger und immer gewalttätiger. Die coolen schwarzen Kapuzenjacken haben sie den linken Autonomen abgeguckt, Krawalle werden als Event inszeniert und locken mit dem Spaßfaktor: „Da geht was ab!” Nach der Bambule zerstreuen sich die Autonomen (meist männliche 16- bis 23-Jährige) wieder, lassen sich aber übers Internet schnell mobilisieren. Es ist zumeist hirnlose „action”, weiß Verfassungsschutz-Präsident Hartwig Möller: „Zu Theorie-Abenden kommen die nicht zusammen.”
„Eine Gefahr für die Demokratie” sieht Ingo Wolf auch in dem rechtsradikalen Zusammenschluss „Pro NRW”. Die Partei schürt Bürgerängste gegen Überfremdung vor allem durch den Islam, so wie „Pro Köln” gegen den Moscheebau in der Domstadt aufgetreten ist. Während „Pro Köln” vom Verfassungsschutz mit rund 200 Mitgliedern angegeben wird, versuchen auf der landesweiten Welle wohl erst 80 Aktivisten zu reiten, aber verteilt über 15 NRW-Städte von Oberhausen, Voerde, Essen, Gelsenkirchen bis Leverkusen und Bonn. Die Ermittler erwarten im Mai eine neue Anti-Islam-Kampagne.
Der Verfassungsschutz beobachtet weiterhin islamistische Gruppen. Neu an Terrorwarnungen sei, dass Videos zunehmend in deutscher Sprache verfasst würden, in denen die Angst vor Anschlägen geschürt werde. NRW sei aber ebensowenig ein Schwerpunkt des (militanten) Islamismus wie der Scientology-Sekte. Deren Bedeutung „scheint geringer zu werden”, sagt der oberste Verfassungsschützer Möller.
Linkspartei gilt weiter als verfassungsfeindlich
Auffällig ist die Zunahme der Gewalt zwischen Links- und Rechtsextremen. Die Zahl der Straftaten stieg auf 3349 (Rechte, +11%) bzw. 772 (Linke, +20%). Politisch motivierte Straftaten von Ausländern gingen auf 169 zurück (-45%).
Beobachtet wird auch weiterhin die Linkspartei. Es sei zwar „nicht jedes Mitglied verfassungsfeindlich”, sagte Innenminister Wolf, aber insgesamt sei die Partei „immer noch durchdrungen von Verfassungsfeindlichkeit”.
Der gesamte Verfassungsschutzbericht 2008 (157 Seiten) steht im Internet unter