"Soll ich lächeln?" Wie ein Frosch, der auf den erlösenden Knall wartet, um sich in eine Königin verwandeln zu können, steht die amtierende Miss Berlin in einem Kreuzberger Hallenbad vor einer Fernsehkamera. Yassaman Hahn, 21, kennt solche Auftritte. Doch an diesem weißgekachelten Ort, zwischen Müttern in Badeanzügen und kleinen Mädchen im Bikini, fühlt sie sich unwohl. Der Körper verschwindet unter einem grün-blauen Polyester-Anzug mit integrierter Badekappe.

"Sieht aus wie ein Schlafanzug", war es der zierlichen Schönheit entfahren, als sie ihre schwarzen Haare dekorativ unter das enganliegende Kopfteil gestopft hatte. Es war noch ein harmloser Vergleich zu dem Begriff, den die deutsch-türkische Frauenrechtlerin Necla Kelek für dieses Bekleidungsstück fand, das in Berlin die Debatte um Integrationsbereitschaft muslimischer Mitbürger neu entfacht hat: der Burkini – auch "Ganzkörperkondom" genannt.

Seit Dezember dürfen sich Trägerinnen dieses sprachlichen Zwitters aus Burka und Bikini beim Frauenschwimmen in die Wellen stürzen. Ohne großes Aufsehen genehmigte Berlins Sportsenator Erhart Körting (SPD) den Berliner Bäder-Betrieben einen Testbetrieb in zwei Bädern. Wird das Angebot angenommen, stehen Burkini-Trägerinnen künftig alle 53 staatlichen Frei- und Hallenbäder offen.

Danach sieht es vorerst nicht aus. Zumindest dann, wenn man das Interesse an dem Kleidungsstück als Indiz nimmt. Dauerkartenbesitzerin Fatma Gungor, 44, türkis geblümter Badeanzug, rosafarbene Flipflops, kann sich nicht daran erinnern, je eine Frau im Bad am Spreewaldplatz getroffen zu haben, die ihren Mantel, die Abaya, gegen einen zweiteiligen Neopren-Anzug getauscht hätte.

98 Prozent der Zuschriften sind negativ
Fatma Gungor lebt seit 23 Jahren in Deutschland. Ihre Tochter trainiert in einem Schwimmverein. Stolz erzählt die Mutter von den Medaillen, die die Tochter schon von Wettkämpfen mit nach Hause gebracht hat. Schwimmen, zeigt dieses Beispiel, ist ein Schritt auf dem Weg zur Integration. Auch im Burkini? Fatma Gungor sagt, jede Frau müsse selber entscheiden dürfen, was sie im Wasser trage. In der Türkei gebe es eigene Strände für Burkini-Trägerinnen. Dort sei es okay, wenn sich Frauen beim Baden verhüllten. "Aber hier?"

Stirnrunzelnd mustert sie Miss Berlin. Sie ahnt nicht, wie viel Überwindung es die Tochter einer persischen Mutter und eines deutschen Vaters gekostet hat, sich diese Polyester-Pelle über ihren schwarzen Bikini zu ziehen. Sie hat es nicht aus eigenem Antrieb gemacht, sondern für Filmaufnahmen. Weil sonst niemand da war. Seit Dezember haben erst zehn Berlinerinnen das Angebot der Bäderbetriebe genutzt. Schon macht das geflügelte Wort die Runde, der Senat habe eine Lösung für ein Problem gefunden, das erst noch gesucht werden müsse.

Wertet man die 100 Briefe aus, die die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) seit Beginn des Testbetriebs bekommen haben, dann ist der Burkini für 98 Prozent der Benutzer ein rotes Tuch. Vielleicht sogar für 99 Prozent, denn "die einzigen beiden positiven Zuschriften", sagt BBB-Vorstand Klaus Lipinsky, "trugen zwar unterschiedliche Namen, waren im Wortlaut aber identisch". Das hat Lipinsky nun davon, dass er den Innensenator aufgefordert hat, mit einem Testbetrieb Klarheit an der textilen Front in den 37 staatlichen Hallenbädern zu schaffen. Eine Bitte, der Erhart Körting (SPD) nur mit Bauchschmerzen nachgegeben habe, wie sich seine Sprecherin zu versichern beeilt. Vom Ergebnis der "Operation Burkini" könnte jetzt zwar abhängen, ob andere Bundesländer die Hausordnungen ihrer Bäder um Paragraphen für strenggläubige Muslime ergänzen. Intern hat Körting damit jedoch wieder alte Gräben aufgerissen, kaum ist der Streit um ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst ausgestanden. "Burkinis zuzulassen, ist integrationsfeindlich", wettert etwa der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Kurt Wansner. "Mit solchen Regelungen geben wir all das auf, wofür Frauen jahrelang gekämpft haben – und das unter dem Deckmantel der Integration." BBB-Vorstand Klaus Lipinsky verrät über die Protestbriefe: "Es sind überwiegend deutsch-türkische Frauen, die der Burkini-Testbetrieb entzürnt."

Nele Abdallah kann die Debatte nur recht sein. Die 29-Jährige Jurastudentin vertreibt die markenrechtlich geschützten Burkinis der australischen Designerin Aheda Zanetti exklusiv in Deutschland aus dem heimischen Wohnzimmer. Dabei, räumt die vor einigen Jahren zum Islam konvertierte Christin ein, bewege sich die Zahl ihrer Kundinnen erst "im dreistelligen Bereich". Frauen türkischer Herkunft seien eher die Ausnahme, räumt Abdallah ein. In erster Linie würde sie die Burkinis an Frauen verkaufen, die wie sie auf dem Standpunkt stünden: "Entweder im Burkini baden – oder gar nicht." Dass sie in dem Anzug in erster Linie ein religiöses Symbol sieht, streitet sie naturgemäß ab. "Ich trage den, weil ich schwimmen gehen will."

Ein zweifelhaftes Vergnügen, sofern man Yassaman folgt. Sie könne sich darin abstrampeln, wie sie wolle – sie komme kaum vom Fleck.