Im Westen hält man die politische Partizipation von Frauen in islamischen Gesellschaften für das beste Rezept für deren schnelle Öffnung. Frauen wählen aber oft konservativer als Männer


  • Kuwaitische Frauen: Im Juni 2006 durften sie erstmals ihr aktives und passives Wahlrecht ausüben. Sie wählten vorwiegend Männer, und islamistische noch dazu.


Dr. Rula Dashti ist erfolgreiche Geschäftsfrau, Vorsitzende der kuwaitischen Wirtschaftsgesellschaft, sitzt in zahlreichen Gremien und scheint regelmäßig in der Liste der "100 einflussreichsten Araber" (sic!) auf. Im Gegensatz zu den meisten ihrer 27 Mitbewerberinnen war jede Menge Geld und professionelle Hilfe da, als sie sich im Juni 2006 in den Wahlkampf warf: Es waren die ersten Parlamentswahlen in Kuwait, an denen Frauen aktiv und passiv teilnahmen. Gewählt wurde keine einzige, auch Dashti nicht. Und zwar nicht etwa "knapp verfehlt": Die Frauen verloren meist haushoch.
Aus einer westlichen Perspektive betrachtet, erscheint weibliche politische Partizipation oft als das einfachste und schnellste Rezept, den Fortschritt in der arabischen Welt voranzutreiben. Analysen widersprechen dem: Frauen wählen im besten Fall genauso konservativ wie die Männer, meistens jedoch konservativer. Das heißt auch, dass sie in erster Linie Männer wählen, und deren Frauenfreundlichkeit ist kein Kriterium.
Stärkung der Islamisten
In Kuwait gingen die Frauen 2006 mit Enthusiasmus an die Urnen. Das Frauenwahlrecht einzuführen war eine der demokratischen Reformen, die der Emir von Kuwait den USA nach der Befreiung von Saddam Hussein durch den Golfkrieg 1991 zugesagt hatte. Erst eineinhalb Jahrzehnte später war es so weit. Heraus kam eine Stärkung der islamistischen Kräfte im Parlament. Wobei sich damals keiner mehr wunderte: Das Phänomen war bereits bekannt.
Die Erkenntnis, dass sich Frauen in arabischen oder generell in islamischen Gesellschaften vielleicht noch mehr als Männer vor einer Liberalisierung fürchten, die sie als "Gefährdung" der Familienwerte sehen, sollte in der Tat nicht überraschend kommen: Die Familie ist im Grunde ihr einziger Schutz, wo sie der Staat oft in Stich lässt. Der Feminismus ist noch dazu traditionell ein männliches Geschäft, denn dazu gehört die kreative Auslegung von Koran und Prophetentraditionen, die von - männlichen - Rechtsgelehrten betrieben wird. Das ändert sich aber, auch in diese Bastionen brechen langsam muslimische Frauen ein.
Bis das jedoch "am Boden" ankommt, wird noch Zeit vergehen. Auch Präsenz von Frauen in Institutionen scheint keine institutionellen Änderungen selbst zu bringen: Das beste Beispiel dafür ist Iran, wo den Frauen ja heute fast alle Karrieren offenstehen und sie das auch aggressiv nützen. Die Gesellschaft verändert sich dadurch, das System nicht.
Ein frustrierendes Beispiel ist da auch der Irak: Es gibt eine 25-Prozent-Quote für Frauen im Parlament, die für die Parteien mangels geeigneter und williger Kandidatinnen oft gar nicht so leicht zu erfüllen ist. Irakische Feministinnen beklagen, dass viele weibliche Abgeordnete überhaupt nur ihr Partei-Ticket im Kopf haben, sie sind oft die loyalsten Parteigänger überhaupt. Bei den Versuchen im Parlament, den Ehrenmordparagrafen abzuschaffen (der nur bis zu drei Jahre Haft für solche Delikte vorsieht), konnten bei weitem nicht alle Stimmen von Parlamentarierinnen gewonnen werden.

Frauen blieben zu Hause
Bei den jüngsten irakischen Provinzwahlen am 31. Jänner sorgten die Frauen dafür, dass die angestrebte hohe Wahlbeteiligung nicht erreicht wurde. Tatsächlich gab es ja erstmals bei Wahlen in den arabisch-sunnitischen Gebieten keinen Boykott. Aber die Frauen blieben generell eher zu Hause. Standard-Korrespondentin Birgit Svensson, die sich in Falluja aufhielt, berichtet von zynischen Bemerkungen eines Offiziellen, der darauf verweist, dass Frauen eben "kostbar wie Diamanten" seien, die man "gut verwahren" müsse, deshalb seien an den Wahlurnen keine zu sehen. Und die Frauen-Quote (die für die Provinzinstitutionen ohnehin aufgeweicht wurde), "die haben wir nicht gemacht".
Die arabisch-sunnitischen Gebiete sind auch deshalb interessant, weil dort zum ersten Mal eine große Partizipation tribaler Kräfte zu verzeichnen war, als Gegengewicht zur Islamischen Irakischen Partei. Das beweist, dass die Gründe für mangelnde Frauenpartizipation und mangelndes Fortschrittsbewusstsein der Frauen nicht (nur) in der Religion verwurzelt sind.
Trotzdem halten Expertinnen die Frauenquote im Irak für richtig: Irgendwann werden sich Frauen ihrer Interessen besinnen. Und es ist ja keineswegs so, dass sie durch ihre Präsenz männlichen Feministen die Plätze versitzen würden. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, Print, 16.2.2009)