Er kam wie gerufen. Sermet I. landete am Freitag vor einer Woche auf dem Stuttgarter Flughafen. Dort wurde er von Beamten des Landeskriminalamtes festgenommen. Der 30 Jahre alte Deutsche, der als Kind aus der Türkei in die Bundesrepublik kam, ist dringend verdächtig, Mitglied von Al Qaida zu sein. Ein Haftbefehl wurde erlassen. Sermet I. soll Entfernungsmesser, Nachtsichtgeräte und Geld besorgt haben für die Terrororganisation. Er soll sie einem anderen mutmaßlichen Al-Qaida-Mann, Aleem Nasir, übergeben haben. Der 46 Jahre alte Deutsch-Pakistaner war in den Augen der Ermittler eine Spinne im Netz deutscher Islamisten, er soll Leute für Al Qaida rekrutiert haben. Seit Dezember steht er vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Ein weiterer Mann aus Nasirs Umfeld, der Türke Ömer Ö. aus Sindelfingen, ist im September bei seiner Einreise verhaftet worden.Warum aber kommt Sermet I. nach Deutschland, wenn der Kopf seiner Gruppe vor Gericht steht, sein Freund Ömer Ö. in U-Haft sitzt? Vielleicht dachte er, es sei unbeobachtet geblieben, als er die Ausrüstungsgegenstände bei drei Treffen übergeben hat. Vielleicht hat er es einfach darauf ankommen lassen.


Bessere Vorraussetzungen für Ermittler und Strafverfolger
Der Deutsch-Pakistaner Aleem Nasir soll Leute für die Al Qaida rekrutiert haben

Sicher ist: Deutschland steht vor einer Reihe von Prozessen gegen mutmaßliche Mitglieder von Al Qaida und der Islamischen Dschihad Union (IJU). Der große Prozess gegen die Mitglieder der „Sauerland-Gruppe“, die zur IJU gehört haben soll, wird voraussichtlich Ende April vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf beginnen.
Dass militante Islamisten nun vor deutschen Gerichten stehen, ist ein Erfolg für Ermittler und Strafverfolger. Es zeigt, dass sie nicht hilflos sind. Über die islamistische Szene in Deutschland und deren Kontakte und Reisebewegungen wissen sie ungleich mehr als vor wenigen Jahren. Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz haben seit 2001 deutlich mehr Personal, um militante Islamisten zu beobachten und Straftäter zu verfolgen.


Mit Polizei und Nachrichtendiensten in für den Islamismus wichtigen Ländern wie der Türkei, Pakistan, Afghanistan oder in Staaten im Nahen Osten arbeiten die Deutschen heute, anders als früher, mehr oder weniger eng zusammen.
Wenn auch manche Reformen, wie die Einrichtung einer Anti-Terror-Datei, in ihrer Bedeutung stark überschätzt wurden, so haben andere, wie das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern, sich bewährt.
Allerdings sind auch die Probleme größer geworden. Die etwa 500 gewaltbereiten Islamisten und die etwa hundert Führungspersonen im Blick zu behalten bedeutet einen hohen Aufwand. Eine Person rund um die Uhr zu beobachten bindet drei Observationstrupps von je sechs Leuten, also 18 Beamte. Für Dauerbeobachtungen fehlt rasch das Personal.
Einschüchterungen funktionieren nicht
Normale Telefonüberwachungen bringen selten Inhalte zutage, da immer mehr verschlüsselt, über Skype, telefoniert wird. Ermittlungen sind aufwendig: In Accounts im Ausland lagernde E-Mail-Nachrichten müssen auf dem Weg der Rechtshilfe erlangt, übersetzt und ausgewertet werden, Stimmen abgeglichen, Decknamen in Übereinstimmung mit Klarnamen gebracht werden. All das dauert Monate.
Was die Ermittler immer wieder überrascht, ist die Reaktion der militanten Islamisten auf Schritte der Polizei. Eine Einschüchterung, etwa durch sogenanntes präventives Ansprechen, gelingt in der Regel nicht. Selbst offene Observationen, Vernehmungen oder Durchsuchungen der Wohnung führen nicht dazu, dass die Täter von ihren Plänen ablassen.
Planungstreue bis zum Schluss
So war es bei der Sauerland-Gruppe. Selbst als über ihr Treiben im „Focus“ zu lesen war, ließen die Konvertiten Fritz Gelowicz und Daniel Schneider und der Türke Adem Ylmaz keinesfalls von ihrem Plan ab, Bomben für den großen Anschlag gegen amerikanische Ziele in Deutschland zu bauen. Sie änderten nicht einmal ihren Zeitplan.
Planungstreue nennen das die Fachleute. Die „Sauerland-Gruppe“ stand unter dem Druck der IJU-Führung, die darauf drängte, den Anschlag bald auszuführen. Ursprünglich hatten Gelowicz, Schneider und Ylmaz in Pakistan und Afghanistan bleiben wollen und dort den Märtyrertod suchen wollen. Der Dschihad und die Anweisungen des Emirs waren entscheidend für sie - nicht die Schritte der Polizei, Justiz oder etwa die deutsche Rechtsordnung.
Im Bundesinnenministerium befürchtet man, dass die islamistische Szene im Zuge der kommenden Prozesse zunehmend konspirativer agieren wird. Denn vor Gericht müssen die Ermittlungsmethoden, etwa die Telefonüberwachung und Observationspraxis, offengelegt werden.


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