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    Blinde brauchen keine rosa Brille - Über Fake-News, Propaganda und ein neues Buch

    Blinde brauchen keine rosa Brille

    Robert von Loewenstern

    „Stern“-Autor Walter Wüllenweber hat vor einigen Wochen ein Buch mit einem – unter Marketing-Gesichtspunkten – ziemlich cleveren Titel veröffentlicht: „Die frohe Botschaft“. Die Kurzbeschreibung: „Alles wird schlechter. Wirklich? Nein – im Gegenteil!! Es steht nicht gut um die Welt. Aber besser als jemals zuvor. Noch nie waren die Menschen so gesund, so gebildet, so wohlhabend, so frei und so sicher vor Gewalt wie heute. Fast alle Entwicklungskurven zeigen steil nach oben. Die vergangenen Jahrzehnte waren die beste Phase in der Geschichte des Homo sapiens. Doch in den Köpfen hat sich das gegenteilige Bild festgesetzt: Gewalt und Elend nehmen zu, alles verschlechtert sich. Diese Botschaft ist die Mutter aller Fake News und die Basis für den Siegeszug der Populisten. […] Die frohe Botschaft ist die politischste Botschaft unserer Zeit.“



    Und weil die frohe Wüllenweber-Message so politisch ist und der Autor das Buch unzweifelhaft auf der richtigen politischen Seite positioniert, nämlich ganz bestimmt nicht bei den Populisten und ihren Fake News, findet es viel Beifall. „Extrem gut geschrieben; selten habe ich mich so herausgefordert gefühlt wie durch dieses Buch.“ (Robert Habeck). „Ein sehr empfehlenswertes Buch.“ (FAZ). „Ein Buch für Menschen, die die ewige Schwarzmalerei satt sind. Es wird die Welt nicht verändern, aber es könnte eine Debatte anstoßen, die interessant wäre.“ (NDR Info). „Ein wirklich wichtiges Buch.“ (Buchkultur).


    So kam es, dass Weißmaler Wüllenweber für sein wirklich wichtiges Buch in dieser Woche bei Markus Lanz Werbung machen durfte. Geladen waren außer ihm der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber, „Spiegel“-Journalistin Melanie Amann und ein deutscher Football-Spieler.


    Fake News vom Faktenfan

    Nachdem Stoiber einen großen Bogen vom Wandel der Zeiten im Allgemeinen zum EU-weiten Niedergang der Volksparteien im Besonderen geschlagen hatte, ergriff der „Stern“-Autor das Wort und ließ sich beim Stichwort Migration fünf Minuten lang über die „Angstmacherpartei“ CSU aus (hier ab 16:10). Wüllenweber begann vielversprechend, indem er zunächst einmal selbst 30 Jahre alte, längst widerlegte Fake News verbreitete. Als Beleg für die „jahrzehntelange Angstmache“ der CSU warf der Frohbotschafter dem Ex-Ministerpräsidenten vor, dieser habe von einer „durchrassten Gesellschaft“ gesprochen.


    Dazu muss man wissen, dass das angebliche Stoiber-Zitat aus einem Hintergrundgespräch mit Journalisten im Jahr 1988 stammt. Stoiber hatte bereits an Tag eins nach dem Gespräch dementiert. Nachdem er trotzdem aufgrund der vermeintlichen Hetzaussage über Jahre unzählige Male unter Rassismusverdacht gestellt worden war, klärte der renommierte Journalist (und Stoiber-Kritiker) Michael Stiller in der „Süddeutschen Zeitung“ endgültig und unmissverständlich auf, dass es dieses Zitat niemals gegeben hatte. Überschrift des Artikels aus dem Jahr 2002: „Ein Zitat, das keines ist“. Unterzeile: „Stoiber hat nie gegen die ,durchrasste Gesellschaft‘ gehetzt.“ Bei der „SZ“ ist der Beitrag nicht mehr auffindbar, dafür ist er hier nachzulesen.


    Über Stoibers Versuche der Richtigstellung ging Faktenfan Wüllenweber hurtig hinweg und fuhr lieber mit seinem CSU-Bashing fort: Die Migrationspolitik spalte deshalb „sehr stark, weil Menschen wie Sie und weitere aus der CSU die Spaltung ganz aktiv betreiben. […] Und wenn wir uns das Thema Flüchtlinge anschauen, dann sehen wir, dass bei den Flüchtlingen die CSU von Anfang an immer gesagt, immer erklärt hat, was für riesengroße Probleme es gibt.“



    Flüchtlinge – ein einziger Erfolg

    Alles Lüge, so Wüllenwebers frohe Botschaft: Transitzonen, Obergrenze, Zurückweisungen, „das sind alles Phantomthemen, alles Phantomprobleme. Und insgesamt ist es so, dass wir heute sehen, dass das Flüchtlingsthema eines der großen Erfolge ist. Das ist ein einziger Erfolg.“ Alle sind untergebracht, versorgt, registriert – es ist vollbracht. Mehr noch: „Heute ist es so, dass wir sehen: Das Bamf funktioniert! Der angebliche Skandal, den es in Bremen gegeben haben soll, […] der Staatssekretär des Inneren von der CSU, dem hat ein Gericht verboten, das weiter zu behaupten, dass es diesen Skandal dort gegeben hat, weil es objektiv falsch ist.“



    Objektiv falsch ist in diesem Zusammenhang allein Wüllenwebers Aussage. Im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen hatte Stephan Mayer (CSU), Staatssekretär im Innenministerium, davon gesprochen, es habe in der Hansestadt eine „hochkriminell kollusive und bandenmäßige“ Zusammenarbeit von BAMF-Mitarbeitern und Rechtsanwälten stattgefunden. Nur diese Formulierung wurde Mayer gerichtlich untersagt, aber natürlich nicht die Aussage, es habe skandalöse Vorfälle in der Bremer Bamf-Außenstelle gegeben. Letzteres bestreitet keiner – außer dem Geschichtsklitterer Wüllenweber.


    Die zaghaften Einwände von Lanz und Amann überhört Wüllenweber und arbeitet sich weiter in schnellen Stolpersätzen an Stoiber ab: „Was ist seit 2015 passiert? Wo, wo wir alle gesagt haben, nicht wir alle, wo Sie gesagt haben, wo die CSU gesagt hat, wie furchtbar das ist. In dieser Zeit ist die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau zurückgegangen. Die Kriminalität ist auf ein Rekordniveau zurückgegangen. Wir haben noch nie so wenig Kriminalität, wie wir sie bisher hatten. Die Steuereinnahmen sprudeln, alles funktioniert, der ganze Staat, der angeblich nicht mehr funktioniert, funktioniert weiter. Wenn ich falsch parke, krieg ich nen Knollen, ich muss meine Steuern zahlen – wo ist das Problem? Und wir sehen, Angela Merkel hat recht gehabt, wir haben es geschafft. Wir können jetzt schon sagen, wir haben es geschafft. Und die Angstmacherei der CSU, auch Ihre persönliche Angstmacherei war vollkommen unbegründet.“ Das Studiopublikum applaudiert brav.


    Gesinnungsjournalismus in Reinform

    Den massenhaften Asylbetrug, das Bamf-Versagen bei Identitätsklärungen, das Einsickern von Gefährdern und Terroristen, die Unfähigkeit des Staatsapparates, abgelehnte Asylbewerber in nennenswerter Zahl zurückzuführen, die gigantischen Kosten und langfristigen Belastungen der Sozialsysteme, die weit überproportionale Kriminalität der Zuwanderer besonders bei Gewalt- und Sexualverbrechen, die Tatsache, dass weiterhin jeden Monat zwischen 10.000 und 15.000 Menschen unkontrolliert über deutsche Grenzen zuwandern – all das gibt es nicht. „Alles funktioniert, der ganze Staat funktioniert.“ Der Beweis: Herr Wüllenweber muss Steuern zahlen. Und Tickets fürs Falschparken.


    Ein bemerkenswerter Auftritt eines Publizisten, der immer wieder betont, wie wichtig es sei, sich den Blick nicht durch Gefühl oder einzelnes Ereignis trüben zu lassen, sondern belastbare Statistiken und Erhebungen heranzuziehen, um ein wahrheitsnahes Bild zu erhalten. Ausgerechnet dieser angebliche Faktenhuber verbreitet ungehemmt Falschnachrichten und argumentiert dazu auch noch anekdotisch statt empirisch, erhebt eine persönliche Erfahrung zur Allgemeingültigkeit in einem komplett anderen Lebensbereich. Schlimmer geht nimmer für einen Journalisten.


    Nun mag man einwenden, dass ein Walter Wüllenweber es eigentlich nicht wert ist, sich überhaupt mit ihm zu beschäftigen. Das stimmt, einerseits. Andererseits ist Wüllenweber in seiner bizarren Überdrehtheit, mit seiner geradezu pathologisch anmutenden Wahrnehmungsstörung ein herausragendes Beispiel dafür, wozu meinungsgetriebene Berichterstattung führen kann. Wüllenweber ist sozusagen die Kristallisation von Gesinnungsjournalismus in Reinform. Wer derart weltanschaulich verblendet ist, braucht nicht einmal mehr eine rosa Brille. Der braucht übrigens auch keine „Anweisungen von oben“, genauso wenig wie die Klebers, Restles, Gniffkes, und wie sie alle heißen. Nein, die sind so. Die funktionieren aus sich heraus.


    Immerhin, eine frohe Botschaft ergab sich tatsächlich aus dem Lanz-Talk. Was man ganz bestimmt nicht lesen muss, ist das „wirklich wichtige Buch“ des Herrn Wüllenweber.

    https://www.achgut.com/artikel/blind...ne_rosa_brille
    Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.
    Gustav von Rochow (1792 - 1847), preußischer Innenminister und Staatsminister

  2. #2
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    AW: Blinde brauchen keine rosa Brille - Über Fake-News, Propaganda und ein neues Buch

    Und wer solche Autoren hat, muss sich nicht über sinkende Auflagen wundern. Solche Typen saßen früher in der Propagandamaschinerie der SED und NSDAP
    Alle Texte, die keine Quellenangaben haben, stammen von mir.

  3. #3
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    AW: Blinde brauchen keine rosa Brille - Über Fake-News, Propaganda und ein neues Buch

    Zitat Zitat von Realist59 Beitrag anzeigen
    Und wer solche Autoren hat, muss sich nicht über sinkende Auflagen wundern. Solche Typen saßen früher in der Propagandamaschinerie der SED und NSDAP
    Du meinst die, die früher schrieben, wie man Juden erkennt und heute, wie man Rechte erkennt?
    Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.
    Gustav von Rochow (1792 - 1847), preußischer Innenminister und Staatsminister

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