Deutschland driftet in den Neubau-Kollaps
Der jahrelange Bauboom in Deutschland ist vorbei. Noch sind zwar viele Baufirmen beschäftigt, Handwerker sind häufig ausgebucht. Doch in den kommenden Monaten wird sich das schnell ändern. Denn die Auftragsbücher leeren sich.
Im September fiel der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe im Vergleich zum Vorjahresmonat um 22,6 Prozent. Laut Bundesamt für Statistik war das der stärkste Rückgang seit Februar 2005.
Es gibt zwar einige Sondereffekte, etwa die extrem gestiegenen Baupreise und die im vergangenen Jahr besonders ausgeprägte Bauaktivität, die den Rückgang im Jahresvergleich nun besonders deutlich ausfallen lassen. Außerdem hat sich – den Statistikern in Wiesbaden zufolge – die Zahl der im Bauhauptgewerbe tätigen Personen noch einmal um 1,7 Prozent erhöht. Nach Krise sieht das noch nicht aus.
Doch die Bau-Verbände schlagen trotzdem Alarm. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie warnt vor einem „Einbrechen der Baukonjunktur“. Vor allem im Wohnungsbau gehe es nicht mehr voran. Laut Ifo-Institut seien bereits 17 Prozent der Wohnungsbauunternehmen von Stornierungen betroffen.
„An den einbrechenden Zahlen bei den Aufträgen und Baugenehmigungen sehen wir, wie die toxische Mischung aus Energiepreisen, Inflation und Zinskosten die Bauherren zunehmend verunsichert“, sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB).
Die Bauleute stören sich aber auch besonders an einem Umstand, den auch private Häuslebauer zu spüren bekommen: Nicht nur die Baukosten und Materialpreise steigen, sondern auch die Ansprüche der Politik an die Energieeffizienz von Neubauten.
Gleichzeitig aber hat sich die Finanzierung verteuert, und Fördergeld ist weggefallen. So strich die Bundesregierung bisherige KfW-Förderprogramme, und auch das Baukindergeld läuft aus, ohne dass eine Nachfolgeregelung in Sicht wäre.
„In diesem Jahr wurde der Standard für die Förderung auf Effizienzhaus 40 verschärft“, beklagt Pakleppa. Verbindlich sollen neue Häuser ab Januar 2025 diesem strengen Standard entsprechen, der nur mit aufwendiger Dämmung, eigener Energieerzeugung und Wärmerückgewinnung erreicht werden kann.
Dem ZDB zufolge verteuere sich ein normales Einfamilienhaus gegenüber dem bisherigen KfW-55-Standard, der ab Januar kommenden Jahres gilt, um 30.000 Euro. „Um den Wohnungsbau voranzubringen und Bauherren zu entlasten, muss bei der Förderung privater Bauherren dringend nachgearbeitet sowie eine Sonder-Afa im Mietwohnungsbau wieder eingeführt werden“, fordert Pakleppa.
Bau-Fördergelder nur für sehr hohe Standards
Die Bundesregierung hat bereits entschieden, die lineare Abschreibung Mitte kommenden Jahres von zwei auf drei Prozent zu erhöhen. Die Bauindustrie wird also auf diesem Wege einen Subventionsschub erhalten. Weiteres Fördergeld allerdings gebe es künftig nur noch für besonders hohe Umweltstandards im Neubau, betont das Bundesbauministerium.
Das Ressort unter der Leitung von Ministerin Klara Geywitz (SPD) übernimmt ab Januar die Verantwortung für Bau-Fördergelder vom Bundeswirtschaftsministerium. Die Ministerin will die im Haushaltsbudget eingeplanten 1,1 Milliarden Euro nicht mehr für ohnehin geltende Standards einsetzen, sondern vornehmlich für Häuser, die das „Qualitätssiegel nachhaltiges Gebäude“ verdient haben.
Dieses Siegel bekommt man beispielsweise dann, wenn nachhaltige oder wiederverwertbare Baustoffe eingesetzt werden. „Der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes wird künftig in allen Förderstufen in Betracht genommen“, heißt es im Bauministerium.
Dass normale Neubauten nicht mehr zusätzlich gefördert werden, halten Ökonomen für richtig, so etwa Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. „Grundsätzlich sollte der Neubau nicht gefördert werden“, so Voigtländer.
Allerdings schränkt er ein: „Aktuell sind wir aber in einer schwierigen Lage, die Baukosten steigen nach wie vor, die Nachfrage lässt nach. Es steht daher zu befürchten, dass die Bautätigkeit insgesamt zurückgeht.“
Deshalb sei es falsch, genau jetzt noch einmal die Baustandards zu erhöhen. „Dies ist mit Mehrkosten verbunden, bringt ökologisch aber nur wenig“, meint der Ökonom. Die Verschärfung von Effizienzhaus 55 auf 40 bringe weniger CO₂-Ersparnis als energetische Sanierungen im Bestand.
Baukindergeld läuft aus – für einige Familien ein Problem
Wie eine neue Förderung aussehen soll, wird aktuell noch erarbeitet, heißt es im Bauministerium. 350 Millionen Euro seien für Familien mit kleinen und mittleren Einkommen vorgesehen, 750 Millionen für klimafreundliches Bauen. Wo die Einkommensgrenzen liegen werden, ist noch offen.
So etwas wie das breit gestreute Baukindergeld jedenfalls dürfte es nicht mehr geben. Im Gegenteil: Manche Familien, die den Zuschuss von insgesamt 12.000 Euro für jedes Kind fest eingeplant hatten, gehen sogar leer aus, wie sich jetzt herausstellt.
Die Bundesregierung hat in den Haushaltsberatungen die Mittel für das Baukindergeld um über 18 Millionen Euro gekürzt. Das Programm wird zum Ende des Jahres beendet.
Für manche Familien wird das zum Problem, wenn sie aufgrund von Materialengpässen und Bauverzögerung ihr Eigenheim nicht mehr in diesem Jahr fertiggestellt haben. Denn ausgezahlt wird das Baukindergeld nur während der Laufzeit des Programms und wenn die geförderten Familien ins Immobilieneigentum eingezogen sind.
Jan-Marco Luczak, wohnungsbaupolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, schätzt, dass bis zu 20.000 Familien, die mit der Förderung gerechnet hatten, deshalb leer ausgehen: „Dass die Ampel Familien im Regen stehen lässt, ist bitter und zerstört erneut Vertrauen in Politik.“
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