Immer, wenn man an deutschen Universitäten mal wirklich ein paar radikale Feministinnen braucht, sind sie gerade nicht zur Hand.
Weit und breit war jedenfalls in Göttingen keine einzige überreizte junge Dame zu sehen, als die Herren Muslime in der Aula einer staatlichen Universität Richtung Osten beteten und die Damen Allahs leider nur weiter hinten und von den Männern getrennt zum selben Gebet schreiten durften – so wie es sich im Islam für ein anständiges Mädchen eben gehört. Brav mit Kopftuch verhüllt und immer ein paar Schritte hinter dem Herrn der Schöpfung.
Nirgendwo ein Plakat von wegen „Nieder mit dem Patriarchat“, „Männer sind Schweine“ oder auch den immer wieder gern gesehenen, linken Demo-Evergreen: „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“. Zu Allah lässt sich feministisch unbehelligt die Frauenunterdrückung herbeibeten, nur der katholische Gott steht unter Generalverdacht.
Geschlechtergerecht in Göttingen
Nun muss Frau bekanntlich auch im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit Prioritäten setzen, man kann sich schließlich nicht um alles kümmern. Überall lauert die systemische Unterdrückung durch den deutschen alten weißen Mann im universitären Raum, da kann man auch mal übersehen, wenn der junge islamische Mann mitten in der Aula einer säkularen Universität die Frauen gut sichtbar von den Männern trennt, weil man offenbar nicht gemeinsam beten kann. Vielleicht waren sie auch nur zu beschäftigt und gerade dabei, ihre neuen geschlechtsneutralen Pronomen zu suchen, oder ein paar fehlende Gendersterne in die Bücher der Uni-Bibliothek nachträglich einzufügen, vielleicht mussten irgendwo auch noch ein paar sexistische Kritzeleien von Klotüren entfernt werden.
Auch in Göttingen ist man sonst sehr bemüht, sich den Fragen der Geschlechtergerechtigkeit zu stellen. Das Referat für Gender und Diversity hat sich bereits sehr verdient gemacht mit „Queeren Wochen“, mit „QueerCheers Partys“ und „Queerem Tanzkurs“. Man malte schon kreative Plakate für den CSD in Göttingen und veranstaltete ein „Demonstrationsaktionstraining“, um gut gewappnet zu sein auf „Klimastreiks“ und Demos gegen „Querdenker*innen“. Man lädt zur Lesung der Autorin Emilia Roig und ihren Thesen über „Das Ende der Ehe“. Und zum „FLINTA-Brunch“, was nichts mit Flintenweibern zu tun hat, sondern für „Frauen, Lesben, Inter, Nicht-binäre, Trans und Agender Personen“ steht.
„Es sollte die Aufgabe aller sein, uns gegen Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit an der Uni zu positionieren und diese konsequent zu bekämpfen, sei es bei trans*feindlichen Schmierereien, sexistischen Übergriffen oder diskriminierenden Behandlungen.“ So steht es auf der Internetseite der Uni Göttingen.
So ein bisschen Verbannung der Damen in den hinteren Teil des Raumes im Namen Allahs ist aber wahrscheinlich gar keine Diskriminierung, sondern nur ein Akt dieser kulturellen Vielfalt, von der man in den letzten Jahren so viel hörte.
Zwangsverschleierung für Mädchen, Kopftuchzwang schon für Grundschulmädchen und Geschlechtertrennung in jeder einzelnen Moschee in Deutschland konnten offenbar leider thematisch vom Frauenreferat noch nicht behandelt werden. Auch nicht, dass der ein oder andere von seiner Frau verlassene Muslim „Das Ende der Ehe“ nicht mit einer deutschen Scheidung, sondern einem traditionellen Ehrenmord besiegelt.
Den wachsamen Augen deutscher Sexismus-Jägerinnen entgeht nichts
Geht es um die Themen Diversity und die Rechte von allen Geschlechtern, die sich so auf einem Campus finden lassen, ist es in der Regel an deutschen Universitäten so, dass der Mann in manchen Kreisen unter Generalverdacht steht, Frauen entweder an den Job oder an die Wäsche oder zumindest etwas Böses zu wollen.
Der ein oder andere erinnert sich sicher noch an das monatelange Possenspiel an der Berliner Alice Salomon Hochschule, wo man das Gedicht „avenidas“ von Eugen Gomringer 2018 von der Fassade entfernen ließ, weil die feministischen AStA-Gruppen es für sexistisch hielten. Vorher hatten die 20 Worte dieses Gedichtes über Blumen, Alleen und die Schönheit der Frauen jahrelang unbehelligt dort stehen dürfen: „Alleen / Alleen und Blumen / Blumen / Blumen und Frauen / Alleen / Alleen und Frauen / Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer“.
Dass Männer die Schönheit von Frauen bewundern, das geht nun wirklich nicht! Bei so viel Sexismus muss man einschreiten.
Oder denken wir an die Uni Flensburg, wo man ebenfalls nur achtsamen Feministinnen zu verdanken hatte, dass nach 70 Jahren, in denen die Statue „Primavera“ von Fritz During unbehelligt im Foyer der Europa-Universität stand, endlich rausgeschafft und durch ein regenbogenfarbenes überdimensionales Fragezeichen ersetzt wurde. Den wachsamen Augen deutscher Sexismus-Jägerinnen war eben nicht entgangen, dass diese Bronzestatue einer Frau ein gebärfreudiges Becken hatte. Das ist selbstverständlich ein Skandal und unangemessen, weil ein „überkommenes Frauenbild, das nicht geeignet ist, an so zentraler Stelle einer Universität als Empfangsdame“ zu stehen. Es reduziere „Weiblichkeit auf Fruchtbarkeit und Gebärfähigkeit“, was an einer Universität, an der „Frauen ausdrücklich als intellektuelle Persönlichkeiten adressiert“ werden, „nicht angemessen“ sei und so gar nichts mit Wissenschaft zu tun habe, begründete die Gleichstellungsbeauftragte der Universität damals die Entfernung.
Findet dann doch mal vereinzelt in einer deutschen Universität eine Diskussionsveranstaltung zum islamischen Kopftuch statt, wie 2019 in Frankfurt, demonstrieren Frauen vor der Tür nicht etwa für die Freiheit muslimischer Mädchen, sondern gegen die angeblich islamophobe Veranstaltung.
Freut euch, ihr Frauen, der Islam gehört jetzt zu Deutschland
Zurück nach Göttingen und dem Beten mit getrennten Geschlechtern auf dem Boden einer staatlichen Lehranstalt. Man könnte nun viele Dinge bemängeln, wie etwa, wieso überhaupt in einem Universitätsgebäude zentral in einer Aula ein muslimisches Gebetstreffen stattfinden muss. Haben die keine Moschee? Oder wenigstens einen abgeschlossenen Raum für eine Privatveranstaltung? Immerhin bietet die Uni Göttingen sogar einen Gebetsraum an, der von allen Religionsgruppen genutzt werden kann.
Es geht hier eben um viel mehr, als um das ehrenhafte Gebet von Gläubigen nach ihren eigenen Traditionen. Dafür besitzen Religionen weltweit ihre Kirchen, Tempel, Synagogen, Höhlen oder eben Moscheen. Nicht alles, was darin geschieht, müssen wir gutheißen oder gar mitmachen, es ist aber private Religionsausübung und sogar verfassungsrechtlich geschützt. Allein Göttingen besitzt mindestens fünf Moscheen. Hatten die alle keinen Platz für ein Ramadan-Fest muslimischer Studenten?
Wer sich in den öffentlichen Raum stellt, statt in sein eigenes Gotteshaus, will damit etwas in denselben öffentlichen Raum sprechen, er will sich zeigen. Als im Oktober nach den Massakern der Palästinenser an israelischen Juden ein paar Dutzend Muslime ihre Gebetsteppiche vor dem Brandenburger Tor ausrollten, um dort öffentlich zu beten, war es kein dringendes Spontanbedürfnis seinem Gott zu huldigen, sondern eine Machtdemonstration und auch eine Landnahme flankiert mit medienwirksamen Bildern, um es weltweit zu verbreiten: Seht her, wir nehmen uns sogar den Platz vor dem geschichtsträchtigen Berliner Symbolbau.
Und so muss man auch das öffentliche Beten in der Aula einer säkularen deutschen Universität als genau das betrachten, was es ist: die Demonstration eines Herrschaftsanspruchs über diesen Raum. Es geht nicht um Annäherung an die deutsche Gesellschaft, sondern um die Installation des islamischen Glaubens im öffentlichen Raum. Es ist ein „Wir könnten es auch in einer unserer fünf Moscheen tun, aber wir machen es hier in eurem Haus.“
Niemand hat vor, in absehbarer Zeit genderneutrale Unisextoiletten in Moscheen zu bauen oder die Regenbogenfahne über den goldenen Halbmond zu wickeln. Man kann den öffentlichen Vorbetern und ihren „Alahu-Akbar“-Rufern genaugenommen dankbar sein, dass sie es so offen zelebrieren: Sehr her, wir nehmen uns alle eure Orte und die Frauen verbannen wir, ohne mit der Wimper zu zucken – und sogar vor euren Augen – zurück an den Katzentisch.
Freut euch, ihr Frauen, der Islam gehört jetzt zu Deutschland. Und euer hübsches Referat für Gender und Diversity wird es als Erstes kosten.
https://www.nius.de/articles/so-wird...JrfAU5xQUFPT8X