Wenn ein B-Jugendspieler im ganzen Land Schlagzeilen macht, dann darf man davon ausgehen, dass das nicht in erster Linie mit seiner Leistung zu tun hat. So auch im Falle von Youssoufa Moukoko, einem Stürmer von Borussia Dortmund.
Der hat zwar in vier Spielen schon zehn Tore geschossen, aber das allein wäre noch kein Grund, ihn als »Wunderkind« zu bezeichnen, wie das von Eurosport über ntv bis Spox alle tun. Vor einigen Jahren hat der Schalker Donis Avdijaj mal sensationelle 45 Tore in der B-Jugend-Bundesliga geschossen, trotzdem berichteten nicht gleich ESPN, die Welt und Goal.com über ihn.
Zweifel überall
Bei Moukoko ist das aus zwei Gründen anders. Erstens: Er ist erst 12 Jahre alt. Zweitens: Er ist angeblich erst 12 Jahre alt.
Wie die Nordwest-Zeitung letzte Woche schrieb: »Die Trainer der Gegner, die befragten Sportmediziner, die Fans neben dem Feld – sie alle melden Zweifel an. Sie bewegen sich auf dem gefährlich schmalen Grat zwischen angemessener Skepsis und Vorurteilen gegenüber Afrikanern. Denn Youssoufa Moukoko ist dunkelhäutig. Ein Deutsch-Kameruner mit Geburtsort Jaunde.«
Drei verschiedene Geburtsjahre
Sein Vater sagt, er habe Youssoufas Geburt am 20. November 2004 sogleich dem deutschen Konsulat in Jaunde gemeldet, daher exisitiere eine deutsche Geburtsurkunde. Sie dürfte seither mehrfach geprüft worden sein, denn nachdem der Junge 2014 zu seinem in Hamburg lebenden Vater kam, schloss er sich dem FC St. Pauli an. In der Saison 2015/16 erzielte er als Elfjähriger 23 Tore für die U15 – und plötzlich standen Manchester United, Bayern München, Schalke 04 und RB Leipzig ebenso auf der Matte wie der BVB.
Sie alle werden sich natürlich die Frage gestellt haben, ob Youssoufas Altersangabe stimmen kann. Schließlich sind und waren Fälle wie der von Tobie »Peter Pan« Mimboe nicht selten. Für den ehemaligen kamerunischen Nationalspieler sind drei verschiedene Geburtsjahre dokumentiert: 1964 (was wohl stimmt), 1970 und 1974. Letzteres gab er bei seinem Wechsel zu Genclerbirligi 1998 an. Die Türken glaubten also, einen 24-jährigen Verteidiger an der Angel zu haben, fischten aber in Wahrheit einen 34-jährigen Veteranen heraus.
26 Spieler fielen durch den FIFA-Test
Aus diesem Grund experimentierte die FIFA schon 2003 mit einer Altersbestimmung von Spielern durch Magnetresonanztomographie (MRT). Seit 2009 wird das Verfahren bei der U17-WM und den Qualifikationsspielen regelmäßig angewendet.
Vor einem Jahr fielen gleich 26 nigerianische Spieler durch den Test und mussten das Mannschaftscamp verlassen. Ähnliches war Nigeria schon 2013 passiert.
Warum das Verfahren nicht zuverlässig ist
Der FIFA-Test basiert im Grunde auf einer Untersuchung der Skelettentwicklung, speziell des Handgelenkes. Solange das Wachstum des Handknochens noch nicht beendet ist, geht man von einem Minderjährigen aus. Bei einer, wie die FIFA es ausdrückt, »Verschmelzung der Wachstumsfuge« soll es sich um einen Erwachsenen handeln.
Prof. Jiri Dvorak vom FIFA-eigenen Zentrum für medizinische Auswertung und Forschung sagte bei der Einführung des Tests 2009: »Eine MRT des Handgelenks ist eine einfache, zuverlässige, nicht invasive und völlig ungefährliche Methode zur Altersbestimmung bei U17-Wettbewerben. Das Verfahren wird sowohl für die FIFA als auch für die Mitgliedsverbände von grossem Nutzen sein.«
17! Oder doch 41?
Die Existenz dieses FIFA-Tests hat dazu geführt, dass viele Leute nun fordern, auch Youssoufa Moukoko sollte sich ihm unterziehen. Schließlich wäre das ja in seinem eigenen Interesse, denn ohne endgültigen Beweis würde es immer Gerüchte gebe. Wie vor drei Jahren bei Joseph Minala. Als Lazio den 17-jährigen Kameruner unter Vertrag nahm, hieß es aus einer obskuren Quelle plötzlich, er wäre schon 41.
Das Problem ist nur, dass außer der FIFA so gut wie niemand glaubt, dass der MRT-Test verlässlich und damit sinnvoll ist. Seitdem vermehrt Flüchtlinge nach Europa kommen, beschäftigen sich viele Wissenschaftler mit der Frage, wie man ein Alter präzise bestimmen kann.
Offene Kritik an der FIFA
Eine Studie des University College London ergab 2012, dass Röntgen-Untersuchungen von Knochen oder Zähnen in einem Drittel aller Fälle ein falsches Ergebnis bringen. Auch die Bundesärztekammer sagt: »Alterseinschätzungen (…) durch Knochenröntgen oder Computertomografie sind medizinisch nicht vertretbar, weil sie nach aktueller Studienlage keine gesicherten Aussagen zur Klärung der Volljährigkeit ermöglichen.«
Und vor einem Jahr kritisierte die angesehene Zeitschrift Scientific American ganz offen den Weltverband. Ihre Schlagzeile lautete: »Liebe FIFA, es gibt keinen wissenschaftlichen Test, der Altersbetrug verhindern könnte.«
Die Unsicherheit wird bleiben
Als die FIFA 2013 mehrere nigerianische U17-Kicker von der Teilnahme an der WM ausschloss, befand sich unter ihnen auch ein Mittelfeldspieler namens Abuchi Obinwa, der später mal bei Hannover 96 unter Vertrag stand.
Obinwa kam nicht in Nigeria zur Welt, nicht einmal in Afrika. Er wurde in Columbus, Ohio, geboren und es besteht kein ernsthafter Zweifel daran, dass dies am 15. Januar 1997 geschah. Zum Zeitpunkt des Tests war er 16 Jahre und fünf Monate alt und hätte sehr wohl an der WM teilnehmen dürfen.
Sein Fall zeigt, dass wir mit der Unsicherheit leben müssen, nicht zweifelsfrei zu wissen, ob Youssoufa Moukoko nun ein sehr frühreifer C-Jugend-Spieler ist oder einfach nur ein sehr guter B-Jugend-Kicker.
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