Erstmals aktenkundig wird Nidal Rabih am 23. Oktober 1992 im Alter von zehn Jahren. Damals verprügelt er mit anderen Jungen ein Kind. Kurz darauf wird er in einem Kaufhaus ertappt, als er ein Videospiel stiehlt. Mit elf Jahren kommen Raub und Körperverletzung hinzu, mit zwölf hat der Junge dabei ein Messer in der Hand. Als Vierzehnjähriger sticht er einem Jugendlichen in den Rücken und verletzt ihn lebensgefährlich.
Auch wegen Nidal Rabih gibt es das „Neuköllner Modell“
Erstmals kommt Nidal Rabih in Untersuchungshaft, für sechs Monate, das Berliner Landgericht verurteilt ihn zu einer Bewährungsstrafe von 23 Monaten. Erst als er wieder zwei Menschen niedersticht, wird die Bewährung widerrufen und er erneut verurteilt, Nidal R. kommt ins Gefängnis – und ist bald wieder auf Bewährung frei.
In den Medien wird er als „Mahmoud“ bekannt, seine Taten sind 2003 Anlass für die Berliner Staatsanwaltschaft, eine eigene Intensivtäter-Abteilung zu gründen. Die soll dafür sorgen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft abgestimmt auf Dauerkriminelle reagieren. Und dass sich ein Ermittler möglichst dauerhaft mit den Taten eines solchen Täters befassen kann, also nicht jeder Fall von jeweils anderen Beamten bearbeitet wird.
Nidal R. wird trotz aller Bemühungen zum Beispielfall, wenn es um arabische Verbrecherclans geht. „Prototyp des Ethno-Kriminellen“, nannte der „Spiegel“ ihn. Deutschlands bekannteste Jugendrichterin, die 2010 gestorbene Kirsten Heisig, muss sich mit Nidal R. befassen – mit Blick auf Männer wie ihn, hat sie das „Neuköllner Modell“ in die Strafverfolgung jugendlicher Täter eingeführt: Von Schule, über Jugendamt, Polizei, Gerichten und Haftanstalten sollten alle enger zusammenarbeiten. Nur wenn der Staat als Ganzes zusammenwirke, habe man bei dieser Klientel eine Chance. In ihrem Bestseller „Das Ende der Geduld“ geht es auch um Nidal R. „Hochaggressiv“, nannte ihn eine Staatsanwältin, als er 2005 vor Gericht stand, „ihn in die Gesellschaft zu integrieren“, sei fast unmöglich. Auch seine Freundin soll er geschlagen haben. Bei einer Verhandlung 2014 schrie er den Richter an, randalierte.
Nidal R. war kein Mafia-Pate, kein kriminelles Superhirn, nicht Chef eines Clans. Er ist so oft erwischt worden wie kaum ein zweiter im Milieu. Seine Polizeiakte umfasst mehr als 100 Einträge. Raub, versuchter Totschlag, Diebstahl, Nötigung, Körperverletzung, Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung. Über kaum einen Intensivtäter wurde in Zeitungen, Polizeijournalen und Rechtsmagazinen mehr geschrieben. Insgesamt verbrachte er mehr als zehn Jahre in Haft.
Nidal R., kräftig, pausbäckig, laut, habe in den letzten Wochen schlecht ausgesehen, aufgedunsen, erschöpft. Das sagen ein Beamter und eine Kiezgröße unabhängig voneinander. Vielleicht waren es Drogen, aber wohl eher war es der Stress. Immer wieder soll es im Milieu nun Streit um Pfründe gegeben haben, angeblich habe R. von den Falschen versucht, Geld zu bekommen. Vor ein paar Jahren war er mit Kadir P., dem Boss junger Hells Angels, aus Wedding gesehen worden. P., ebenfalls Mitte 30, sitzt wegen mutmaßlichen Mordauftrages in Untersuchungshaft. Zuletzt wollte Nidal R. mit einem anderen Clan zusammenarbeiten – die eigenen Geschäfte, woraus auch immer die bestanden haben mögen, liefen nur mäßig, er war im Frühjahr erst aus der Haft entlassen worden.
Wer wollte Nidal R. töten? Bislang nur Spekulation
2010 wird Nidal R. niedergeschossen, vor einem Lokal in Neukölln. Nach mehrjähriger Haft ist er gerade ein paar Wochen in Freiheit, eine Kugel trifft ihn in die Wade, eine zweite in den Fuß. Angeblich wollten ihn auch 2013 Unbekannte erschießen. Am Montag sagt ein Beamter, dass Nidal R. in den vergangenen Wochen dauernd in der Stadt unterwegs gewesen sei – er habe womöglich mit jenen Schüssen, die vor vier Wochen auf das Lokal an der Kreuzberger Urbanstraße abgefeuert wurden, zu tun. Rächten sich nun seine Opfer? Eine Kennerin sagt, vielleicht sei er auch dabei gewesen, als es kürzlich Streit zwischen Arabern und Tschetschenen gegeben habe – beide Seiten hätten sich den Tod gewünscht. Ein Anwalt vermutet, der sich im Milieu auskennt, ein Streit zwischen R. und den Betreibern einer Shisha-Bar könnte die Tat ausgelöst haben: R. soll die Hausherren bedroht haben. Das ist alles Spekulation....................
https://www.tagesspiegel.de/berlin/k.../23051064.html