In weiten Teilen der islamischen Welt ist es lebensgefährlich, in Glaubensdingen etwas „Falsches“, d.h. dem Mainstream-Islam Zuwiderlaufendes, zu sagen. Während auf der einen Seite Menschen aus genau diesen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen fliehen, tragen andere Migranten diese Haltungen und Vorurteile im Gepäck, reproduzieren sie durch den Konsum der Medien ihrer Herkunftsländer und tradieren sie an die nächste Generation. Islamisch argumentierte Intoleranz macht sich auch in Europa immer stärker bemerkbar, denn ein nicht geringer Teil der Muslime und Musliminnen hängt leider einer von Unduldsamkeit gegenüber Andersdenkenden und Anderslebenden geprägten Islamvorstellung an, die mit Rechthaberei, Überlegenheitsphantasien und einem eklatanten Mangel an Reflektionsvermögen, Humor und verbaler Streitkultur einhergeht.
Paradoxerweise verachten sie die Gesellschaft, in die sie einwandern oder flüchten, als sündhaft, ungläubig und als Gefahr für ihre Kinder.
Als Startschuss des globalen islamistischen Kampfes gegen die Meinungsfreiheit kann die Fatwa Ayatollah Khomeinis gegen Salman Rushdie im Jahr 1989 betrachtet werden. Sie war ausdrücklich nicht nur gegen Rushdie, sondern gegen alle gerichtet, die mit der Verbreitung seines Buches zu tun haben. Die Worte Khomeinis stießen leider schon damals auf beträchtlichen Widerhall, sowohl in der muslimischen Welt als auch in muslimischen Communitys in Europa, zeitigten gewalttätige Ausschreitungen (etwa in Großbritannien) und zahlreiche Anschläge und Morde. Heute, mehr als 30 Jahre danach, deutet vieles darauf hin, dass die Absichten, die hinter den massiven Angriffen auf die Meinungsfreiheit, hinter den hasserfüllten verbalen und gewalttätigen Anschlägen und Morden stehen, nicht in ihrer ganzen Tragweite verstanden werden oder – das läge vielleicht in der menschlichen Natur – nicht verstanden werden wollen.
Islamisten versuchen zunehmend, ihr religiöses Weltbild global durchzusetzen und ihre Regeln allen anderen Menschen aufzuzwingen. Letztlich geht es um die Deutungshoheit über den Islam. Meinungsfreiheit gehört nicht zur islamistischen Vorstellungswelt, seien ihre Anhänger nun gewaltfrei oder gewalttätig. Stéphane Charbonnier, genannt Charb, Herausgeber von „Charlie Hebdo“, sagte kurz vor seiner Ermordung 2015 sinngemäß, dass es den islamistischen Zensoren nicht um eine Debatte gehe, nicht darum, wann Kritik gerechtfertigt sei und in welcher Form, denn “die Zensoren wollen sie grundsätzlich nicht, diese Scheißmeinungsfreiheit”. Alle Vertreter dieses islamischen Spektrums verachten die Werte der Aufklärung, die den Menschenrechten zugrunde liegen, und sie verachten die Demokratie, auch wenn sie sie für ihre Belange benutzen.
Der politische Islam zwingt allen Gesellschaften, in denen er auftritt, also auch den europäischen, eine Auseinandersetzung um Werte auf. Wer diese Auseinandersetzung zwischen religiösem Anspruchsdenken und Verteidigung der Meinungsfreiheit letztlich für sich entscheiden wird, ist nicht ausgemacht. Aber es liegt auf der Hand, was der Sieg der einen oder anderen Seite bedeuten würde: Wenn jene, die glauben, im Namen Mohammeds oder Gottes die Meinungsfreiheit bekämpfen zu müssen, den Sieg erringen, wird für die Freiheitsliebenden dieser Welt kein Platz mehr bleiben – gewinnt die Meinungsfreiheit, werden Muslime und Musliminnen auch weiterhin in Frieden beten, fasten und predigen können.
Wenn wir uns dem radikalen Islam beugen, der Karikaturen oder Romane zum Casus Belli erklärt und damit Gewaltexzesse rechtfertigt, wird bald nirgends mehr frei gesprochen werden können, so der Philosoph Carlo Strenger.
Eine demokratische Gesellschaft, die das Recht auf Meinungsfreiheit – aus welchem Grund auch immer – zur Disposition stellt, beraubt sich ihrer Grundlage und wird langfristig weder Recht noch Pluralität verteidigen können.
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