Junger Äthiopier schneidet in der Friseurschule Müller Kunden die HaareEin-Schnitt für 90-JährigenHans Weiß ist 90 Jahre alt. Er hat viel erlebt. Doch noch nie hat ihm ein Friseur so gut die Haare geschnitten wie dieser Sultan Hersho. Das sei eine Meldung für die Zeitung, findet Weiß.
Rückblick:
Mit seinem elektrischen Rollstuhl hat sich Hans Weiß vom Eleonore-Sindersberger-Heim an der Friedrich-Ebert-Straße auf den Weg gemacht. Gut vier Kilometer weiter fuhr er bei der Friseurschule Müller an der Parksteiner Straße vor, um sich die Haare schneiden zu lassen. Es bediente ihn
Sultan, ein junger Flüchtling aus Afrika. Und wie er ihn bediente.
Über das Ergebnis freut sich Weiß auch noch eine gute Woche danach. "Noch nie hat mich jemand so gut frisiert", erzählt der 90-Jährige allen, die er seither trifft. Und sie stimmen ihm zu. Deshalb wünscht sich Weiß:
Genau so sollen ihm die Friseurinnen im Studio Müller das nächste Mal auch die Haare schneiden.
Denn Sultan wird ihn dann nicht mehr bedienen können. Sein Praktikum bei der Friseurschule endet am 23. November. Gemacht hat er es,
weil er bereits in Äthiopien vier Jahre lang in einem Salon Männern die Haare geschnitten hatte. Wie das funktioniert, hat sich der junge Mann selbst beigebracht: "Ich habe immer zugeschaut, dann an Freunden probiert", erzählt Sultan in gebrochenem Deutsch. Eine Ausbildung zum Friseur fehlt dem Äthiopier noch.
Nach seiner Flucht nach Deutschland 2014 wollte er "in das europäische Haar reinschnuppern", erklärt Ausbilderin Anita Lorenz von der Friseurschule. Das ist nötig, weil es dabei nicht nur Farbunterschiede gibt: "Das afrikanische Haar ist nicht glatt, aber kurz", erklärt Sultan. Europäisches Haar sei viel länger.
Der 22-Jährige schnitt den Herren in seiner Heimat mit einem Rasierapparat und verschiedenen Aufsätzen die Haare. Auch im Studio Müller verwendet Sultan diese Technik, lernt aber auch die Arbeit mit der Schere kennen. Die Kunden freut's:
"Jeder ist von ihm begeistert", sagt Lorenz. Dabei hat Sultan Glück bei den Müllers: In der Friseurschule darf er vielen Kunden die Haare stutzen. Bei einem Praktikum in einem Salon dürfte er sie nur waschen oder föhnen. Schneiden wäre tabu.
Ungewöhnliche TechnikHeute sitzt Otto Lang aus Weiden auf einem der Sessel im Salon, hinter ihm stehen Lorenz und Sultan. Die Ausbilderin erklärt Sultan, welche Aufsätze er für welche Haarpartie verwenden soll.
"Wenige Kunden haben seine Technik vorher einmal gesehen", sagt Lorenz. Das hat Gründe, weiß Chefin Elisabeth Müller.
Sie erzählt, dass Friseure zwar schon vor 50 Jahren die Haare mit einem Rasierapparat kürzten, aber da in der Gesellenprüfung auch das Schneiden mit der Schere getestet wurde, habe sich die Ausbildung immer mehr darauf konzentriert.
In Deutschland wurde es immer üblicher, dass Friseure häufiger mit der Schere arbeiten als mit dem Rasierer.
Geschafft. Auch Otto Langs Frisur sitzt. "Wenn man hier rausgeht, schaut immer alles schön aus", sagt er. Noch ein zufriedener Kunde.
Und wie zufrieden ist Sultan?
Im Moment besucht Sultan, der in Vohenstrauß wohnt, einen Deutschkurs für Anfänger (Niveau A1) bei der Volkshochschule in Weiden. Um eine Lehre zu machen,
benötigt er die B1-Prüfung in Deutsch. Noch ein langer Weg.
Doch die Sprache ist nicht das einzige Problem:
Sultan kämpft mit der Bürokratie und langen Wartezeiten bei den Ämtern. Außerdem will er laufen. Das ist sein Hobby. Doch einen Verein, bei dem er trainieren kann, hat der junge Mann noch nicht gefunden. Dafür läuft's in der Friseurschule.
Denn der 90-jährige Hans Weiß schwärmt weiter von seinen Künsten, Otto Lang ist begeistert - und das dürften bis zum Praktikumsende am 23. November nicht die letzten zufriedenen Kunden gewesen sein.
Jeder ist von ihm begeistert.