Nach der Abschiebung eines Afghanen
Regierungspräsidium äußert sich zur Abschiebung Nazaris
Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat sich auf Anfrage des SWR ausführlich zur Abschiebung des Afghanen Mostafa Nazari geäußert. Es sieht weder in der Art der Abschiebung noch in der Abschiebung selbst Fehler.
Der mittlerweile 26-jährige Afghane war Mitte Januar abgeschoben worden. Er war nach Angaben des Helferkreises für Flüchtlinge in Ladenburg gut integriert und hatte eine Arbeitsstelle. Aber er war 2015 in eine Schlägerei in der Asylunterkunft Ladenburg verwickelt, bei der andere Schnittwunden erlitten. Dafür wurde er verurteilt. Wegen dieser Vorgeschichte als verurteilter Straftäter hatte er keine dauerhafte Duldung erhalten.
Die Art der verdeckten Abschiebung im Landratsamt Heidelberg hatte heftige Kritik des Grünen-Landtagsabgeordneten Hans-Ulrich Sckerl ausgelöst. Er sprach von einem Skandal.
Das Regierungspräsidium hat zusammen mit dem Innenministerium auf die Fragen des SWR folgendermaßen geantwortet:
Warum erfolgte der Zugriff ausgerechnet bei einem offiziellen Termin im Landratsamt?
Den Asylantrag von Herrn Nazari hatte das BAMF im Mai 2017 als unbegründet abgelehnt. Seit April 2019 war Herr Nazari vollziehbar ausreisepflichtig. Seiner Ausreisepflicht war Herr Nazari nicht freiwillig nachgekommen. Wenn vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nicht freiwillig ausreisen, müssen sie jederzeit damit rechnen, abgeschoben zu werden. Sie erhalten bis zur freiwilligen Ausreise oder Abschiebung eine Duldung mit auflösender Bedingung, so auch Herr N., was bedeutet, dass die Duldung mit Vollzug der aufenthaltsbeendenden Maßnahme erlischt. Deutlich mehr als 1/3 der geplanten Abschiebungen in Baden-Württemberg scheitert daran, dass die Betreffenden nicht angetroffen werden. Deswegen werden gelegentlich auch Termine bei Ausländerbehörden genutzt, um ausreisepflichtige Ausländer, insbesondere Straftäter, in Gewahrsam zu nehmen und die Abschiebung somit sicherzustellen.
Regierungspräsidium Karlsruhe
SWR
War das Landratsamt bzw. der Landrat von dem geplanten Zugriff informiert?
Das Landratsamt war über die geplante Maßnahme vollumfänglich informiert.
Regierungspräsidium Karlsruhe
Hat es sich um einen von Mostafa Nazari vereinbarten Termin gehandelt oder um einen von der Behörde festgesetzten Termin?
Die von Herrn Nazari bevollmächtigte Ehrenamtliche hatte das Landratsamt aktiv um den Termin zwecks Duldungsverlängerung gebeten, da die Duldung am 15.1.2020 endete.
Regierungspräsidium Karlsruhe
Herrn Nazari sowie der ihn betreuenden Ehrenamtlichen war bekannt, dass er bereits seit April 2019 hätte ausreisen müssen.
Herr Nazari sowie der ihn betreuenden Ehrenamtlichen stand insofern ausreichend Zeit zur Verfügung, sich über Möglichkeiten einer freiwilligen Aus- und ggf. einer legalen Einreise zu informieren. Die Abschiebung ist das letzte Mittel des Staates, wenn ausreisepflichtige Ausländer nicht ausreisen.
Regierungspräsidium Karlsruhe
Sehen Sie das Vertrauensverhältnis zwischen Ehrenamtlichen und Behörden durch solche Aktionen gestört?
Die Abschiebung von Herrn Nazari war rechtmäßig, da er seit April 2019 ausreisepflichtig war. Wir können insofern keinen Grund erkennen, warum das Vertrauensverhältnis zwischen Ehrenamtlichen und Behörden durch einen in der Praxis üblichen Vorgang, wie diesem, gestört sein sollte.
Regierungspräsidium Karlsruhe
Bundesweit werden Fachkräfte (auch in der Baubranche) händeringend gesucht. Die Bundesregierung will auch aus Drittländern Fachkräfte anwerben. Mostafa Nazari war beruflich gut integriert. Warum gibt es dennoch für ihn keine Perspektive?
Wer kein Bleiberecht bekommt, muss ausreisen und notfalls abgeschoben werden. Wenn am Ende eines rechtsstaatlichen Verfahrens feststeht, dass ein Asylbewerber ausreisepflichtig ist, ihm also nach allem rechtlichen Ermessen kein Schutzstatus zusteht, müssen wir das auch durchsetzen – ansonsten macht sich der Rechtsstaat unglaubwürdig. Alles andere untergräbt auch die Akzeptanz des Asylrechts. Wäre es so, dass alle, die arbeiten, ein Bleiberecht bekämen, so entschieden letztlich die Personalverantwortlichen in Unternehmen über den Aufenthalt und nicht der Staat. Im Übrigen gehört es zu einer ehrlichen Diskussion, dass wir nicht die Fehler der Integration aus den 70er-Jahren wiederholen. Damals haben wir in den Gastarbeitern zu oft nur die Arbeitskraft gesehen und nicht den Menschen, der mit seiner Biografie, seinen Nöten und seinen sozialen Bedürfnissen Teil der Gesellschaft oder schlimmstenfalls einer Parallelgesellschaft wurde. Darüber hinaus ist anzumerken, dass wir in Baden-Württemberg rund 67.000 Flüchtlinge mit einem Schutzstatus haben, die im Land bleiben und arbeiten dürfen. Wir sollten uns bemühen, zuerst einmal diese Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Sonst hätten wir das absurde Ergebnis, dass wir auf der einen Seite Menschen, die arbeiten dürfen und können, mit staatlichen Leistungen den Lebensunterhalt bezahlen und auf der anderen Seite Menschen, die das Land verlassen müssen, bleiben dürften. Das Aufenthaltsrecht ist Bundesrecht – und die Länder haben nur einen sehr begrenzten Spielraum innerhalb des Rahmens, den der Bund vorgibt. Baden-Württemberg hat diesen Spielraum im Interesse der Unternehmen und der arbeitenden Geflüchteten weitgehend ausgeschöpft. Das sehen Sie etwa daran, dass im Vorgriff auf die seit dem 1. Januar 2020 geltende Beschäftigungsduldung, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Bleibeperspektive für geduldete Ausländer in Beschäftigung ermöglicht, bereits seit März 2019 Ermessensduldungen für ausreisepflichtige Ausländer in Beschäftigung erteilt werden können. Mit dieser „Vorgriffsregelung“ hat Baden-Württemberg Bundesrecht, das erst zum Jahr 2020 in Kraft getreten ist, bereits im vergangenen Jahr angewendet, um Personen, die die Voraussetzungen der neuen Regelung erfüllen, eine Bleibeperspektive zu geben und ist damit den Unternehmen weit entgegengekommen.
Regierungspräsidium Karlsruhe
STAND
20.1.2020, 15:16 Uhr
https://www.swr.de/swraktuell/baden-...on-rp-100.html