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Massaker von Butscha
Jablonska, die Straße des Horrors
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Das Ehepaar Grigori Zamogilni und Anna Zamogilnaya gehen die Straße entlang, die einst ihre Heimat war. Nun wird sie die „Straße der Leichen“ genannt
Ukrainische und internationale Ermittler untersuchen die mutmaßlichen Kriegsverbrechen durch die russische Armee. Dabei ist Butscha – und mittendrin die Hauptstraße – zum Symbol für die Gräueltaten geworden. Ihre Anwohner berichten von Exekutionen und Vergewaltigungen.
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Es gab Hinrichtungen, vielfache Vergewaltigungen, Plünderungen und Massengräber. Nach dem Tod von mindestens 400 Personen hat die Europäische Union diese Straße und die angrenzenden Stadtviertel zum Hauptbeweismittel für die Kriegsverbrechen erklärt, derer man
Wladimir Putins Truppen anklagen will.
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In der Nummer 220 der Jablonska-Straße leben die 65-jährige Ljubov Wolodimurina und ihre 20-jährige Tochter Karina. Nachdem die Panzer endlich aus ihrem Garten verschwunden waren, taten sie etwas, das alle Ukrainer lieben: Sie pflanzen Blumen. „Dort waren die Scharfschützen“, sagt Ljubov und zeigt auf die oberen Stockwerke des im sowjetischen Stil gebauten Appartmentkomplexes, in dem sie wohnen.
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„Sie erklärten, um fünf Uhr Nachmittag sei Sperrstunde für uns, aber wenn sie betrunken waren, schossen sie einfach auf irgendwelche Autos oder auf Fenster von Häusern, hinter denen sich etwas bewegte. Sie hörten auf nichts und niemanden, sie waren wie Zombies. Am ersten Tag erklärten sie uns, sie seien gekommen, um uns zu befreien, aber nach einigen Tagen und schärferen Attacken der ukrainischen Truppen wurden sie immer aggressiver“, erklärt sie.
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An einem anderen Tag zielten sie auf Fahrzeuge, bis ein Nachbar ihnen sagte, sie sollten sie in Ruhe lassen. Daraufhin schossen sie ihm in die Brust. „Sie trugen eine reflektierende Armbinde, und wenn sich irgendetwas bewegte,
schossen sie sofort“, erinnert sie sich. „Nicht einmal die Nazis
(die während des Zweiten Weltkriegs auf dem Weg nach Moskau zweimal durch Butscha zogen, d. Red.) haben einen derartigen Schaden angerichtet“, sagt sie traurig, mit dem Spaten in der Hand.
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Ein paar Schritte weiter, in der Nummer 190, repariert ein älteres Ehepaar, das seine Namen lieber nicht nennen möchte, den niedergerissenen Zaun vor ihrem Haus. „Sie sind hier mit dem Panzer hineingefahren und haben ihn im Hof abgestellt“, sagt der Mann und zeigt auf die Spuren des Kettenfahrzeugs am Boden. Dann zerbrachen sie, so erzählt er es, die Fensterscheiben und schossen auf die Haustür. Der Schuss ging durch das Türschloss und das Wohnzimmer bis in die Küche, in den alten Herd, auf dem jetzt eine Tomatensuppe kocht.
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Noch vor drei Wochen konnte man in der Jablonska-Straße, die man jetzt auch „die Straße der Leichen“ nennt, nicht mehr entlanggehen. Überall lagen Tote auf dem Asphalt...
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In Nummer 173 wohnt die 39-jährige Natalia. Auch sie erzählt ohne zu zögern ihre Geschichte, die aus zwei Gründen besonders schlimm ist: Zwei Wochen lang nisteten sich acht russische Soldaten in ihrem Wohnzimmer, dem Bad und der Küche ein. Immer wieder drohten sie, sie zu erschießen, als sie herausfanden, dass ihr Mann beim Militär ist. Und sie erfuhr, dass sie diese Brutalität dem Hinweis eines Nachbarn zu verdanken hatte, der den Soldaten erzählte, in ihrem Haus lebe ein ukrainischer Soldat.
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. „Sie durchsuchten mein Telefon, entdeckten Fotos von meinem Mann in Uniform, und dass er Informationen über das
Eintreffen der Russen an seine Vorgesetzten geschickt hatte. Sie schlugen ihn und fesselten seine Hände. Als sie ihn dann zwangen, sich nackt auszuziehen, nutzte er einen Moment der Unaufmerksamkeit und konnte entfliehen. Daraufhin schlugen sie mich und meinen Sohn zusammen“, erzählt sie.
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„Sie sagten, sie werden mich erschießen. Das ging mehrere Tage.“ Währenddessen schlief ihr Mann fünf Nächte im Freien, bis er in Kiew ankam und sich zur Truppe begab. Jetzt ist er an der Front, an einem Ort, den sie aus Sicherheitsgründen nicht nennen darf, erklärt sie. Natalia wurde, wie sie sagt, nur deshalb nicht erschossen, weil ein Offizier ihr erklärte: „Ich habe in Syrien niemanden getötet und will auch dich nicht töten.“
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Ein paar Meter weiter, vor der Nummer 65, unterhält sich ein altes Ehepaar auf dem Bürgersteig. Ohne dass man ihn sonderlich dazu überreden muss, zeigt Petro, ein pensionierter Maschinenbauingenieur aus der Antonow-Fabrik, auf einen Brunnen, in dem sein ermordeter Nachbar fünf Tage lang lag.
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Hier drüben, sagt er und weist mit dem Finger auf eine andere Stelle, lag eine weitere Leiche, und dort drüben noch eine, sagt er. Der schlimmste Moment der Besatzung, erzählt er, sei der Tag gewesen, an dem er zur Kommandozentrale der Russen ging und dort seinen Nachbarn liegen sah, der verblutete. Nicolai habe sich den Soldaten widersetzt, also schnitten sie ihm das Glied ab, sagt er und breitet die Arme aus, „Es war entsetzlich, überall war Blut.“
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„Fast alle Russen waren noch sehr junge Tschetschenen, 17 oder 18 Jahre alt“, fügt er hinzu. Er öffnet die Tür zu seinem Haus, zeigt sein Wohnzimmer, das unter Wasser steht, weil eine Granate einen Teil des Daches weggesprengt hat. „Sie haben mir Lebensmittel gestohlen und den Fernseher, aber was konnte ich schon tun?“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Und dann sinkt der schmale Körper des 72-Jährigen in sich zusammen und der Ingenieur weint wie ein Kind.
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: Die Nummer 17 der Jablonska-Straße, eines der wenigen mehrstöckigen Gebäude und ein weiterer Schauplatz des Grauens. Die Fassade ist zum größten Teil zerstört. Hier starben Nachbarn, die die Russen aus nächster Nähe umbrachten. Eine Bewohnerin bricht in Tränen aus, als sie auf das Grab zeigt, in dem eine Mutter mithilfe zweier Nachbarn ihren Sohn begraben hat. Sie hatten es riskiert, ihn zu beerdigen, bevor die Hunde ihn zerreißen konnten, berichtet die blonde Frau, die ihren Namen auch nicht nennen will.
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„Sie haben mehrere
Mädchen vergewaltigt. Wir haben es alle gesehen. Sie fassten sie an, brachten sie in den Keller und hatten sichtlich Spaß daran, sie zu missbrauchen“, sagt sie unter Tränen.
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In der Nähe des Kiewer Vororts Butscha sind nach Polizeiangaben weitere drei Leichen mit gefesselten Händen entdeckt worden. Die Leichen der drei Männer seien in einer Grube des Dorfs Myrozke gefunden worden, teilte der Polizneichef der ukrainischen Hauptstadt, Andrij Nebytow, am Samstag mit. Sie wiesen demnach Schussverletzungen an verschiedenen Körperteilen auf.
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Die Augen der drei Männer waren laut Nebytow verbunden, auch seien „einige“ geknebelt gewesen. Die Leichen tragen nach Angaben des Polizeichefs die Spuren von langer Folter. Jeder der Männer sei schließlich mit einem Schuss in die Schläfe getötet worden. „Nach den bisherigen Erkenntnissen haben die Besatzer versucht, die Spuren ihrer Gewalttaten zu verbergen“, erklärte Nebytow. Deshalb hätten sie die Leichen in eine Grube geworfen und mit Erde bedeckt.
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