Der Lehrlingsmangel wird zum gesamtwirtschaftlichen Problem
Die Handwerksbetriebe suchen dringend Lehrlinge, bieten mehr als 600 freie Plätze an. Junge Leute dagegen sind nicht knapp, gibt es nicht weniger als früher. Offenbar aber ist der Beruf des Handwerkers von der Jugend weniger gewünscht.
Das Mittelstandsinstitut Niedersachsen ist den Gründen nachgegangen und hat Jugendliche sowie Handwerksmeister befragt. Die Handwerksmeister selbst sahen ehrlicherweise eigene Gründe:
Das Handwerk ist kein Bürojob, sondern Werk mit der Hand und verlangt körperliche Anstrengung, macht zum Teil (Bau, Fleischerei u.a.) schmutzig. Die Mehrzahl der Jugendlichen aber will heute einen gemütlichen Bürojob, der nicht schmutzig macht, nicht anstrengend ist und oft noch sogar höher gewertet wird.
Der Handwerker arbeitet ständig unter Zeitdruck, weil Arbeitszeit Produktkosten sind und er nicht den Zeitaufwand bezahlt bekommt, sondern nur den vereinbarten Preis. Und das auch nur, wenn der Kunde keine Gründe zur Mängelrüge findet, um auch nach der Arbeit noch Preisnachlässe zu erpressen. Da haben es die Büro- und Sozialberufe leichter. Dort wird man für Zeiteinsatz (auch für Zeitvertreib) unabhängig vom Ergebnis bezahlt.
Die gesellschaftliche Wertschätzung des Handwerks war nach dem letzten Weltkrieg am höchsten. Sie ist in zwischen abgesunken, weil Serien- und Massenprodukte von der Industrie kommen und viel Handwerk – vor allem im Bau – nur noch auf Einzelproduktion und Reparaturen zurückgefallen ist. Unsere Jugend ist satt, strebt nicht mehr Wertschöpfung an, sondern Zeitvertreib und Berufe des Zeitvertreibs. In vielen Handwerksberufen vor allem des Reparaturhandwerks stehen die Meister unter unerträglichem Druck. Sie sollen Tag und Nacht zur Stelle sein und den Reparaturerfolg garantieren, obwohl z.B. bei den Installationen oder beim Tischler die großen Produzenten nicht mehr wunschgemäß liefern, weil sie nur noch langfristige Produktzyklen haben und selbst Einzelteile von Zulieferern nicht bekommen. Der Kunde macht jedoch den Reparaturhandwerker für die Verzögerung verantwortlich. Bürojobs beim Staat oder in großen Unternehmen dagegen machen keinen Stress, sind gesellschaftlich höher gewertet und werden auch nicht nach Ergebnis bezahlt, sondern nur nach Zeiteinsatz oder Zeitvertreib. Wird man mit der Arbeit nicht fertig, ist „zu wenig Personal da“, werden zusätzliche Mitarbeiter gefordert.
Bei Elektrikern, Installateuren und anderen technischen Handwerksberufen sind die Anforderungen an die Meister durch Normveränderung, Produktumstellung und die neue digitale Technik so gestiegen, dass selbst erfahrene Meister nicht mitkommen, sondern oft noch die Hilfe des Produzenten brauchen, die er ihnen nur selten und zögerlich gibt. In den Bürojobs braucht man dagegen nicht zum Kunden, sondern lässt ihn kommen. Und wenn eine Arbeit zu kompliziert ist, gibt man sie weiter oder schiebt sie an den Vorgesetzten, um selbst nicht dafür geradestehen zu müssen.
Im Handwerk besteht gegenüber anderen Branchen Totalwettbewerb, kann also ein Betrieb kaum Gehaltserhöhungen durchsetzen, obwohl die Produkt- und Personalkosten zurzeit dramatisch steigen. Viele Handwerksmeister haben am Ende des Jahres weniger als ein Lehrer verdient, obwohl sie die dreifache Stundenzahl gearbeitet und dazu noch das Gesamtrisiko des Betriebes getragen haben.
Zusätzlich belastet die Corona-Hysterie die Arbeitsbeziehung im Betrieb mit den Kunden und vor allem für Reparaturarbeiten vor Ort in den Wohnungen oder Häusern
Alle Handwerksmeister aller Branchen beklagten die immer unerträglicher werdende Regulierungswut der Bürokratie. Nahezu alles werde geregelt durch immer neue auch widersprüchliche Vorschriften, bei denen man wegen der täglichen Arbeit überhaupt nicht mehr mitkomme. Dadurch sei man ständig „mit einem Bein in der Haftung“ oder sogar strafbar. Das Risiko des Arbeitens für den Meister steige dadurch unerträglich an. Die Gesetzes- und Bürokratieflut war noch vor der steuerlichen Ausplünderung der Betriebe erster Grund für die Aufgabeüberlegungen ihres Betriebes bei vielen befragten Meistern......
https://www.pi-news.net/2021/11/der-...ichen-problem/