Volkswagen-Chef Diess macht Ernst: 2026 werden keine Verbrenner mehr entwickelt und Mitte der 2030er-Jahre keine mehr gebaut. Seine neue Konzern-Direktive: Elektro pur und Digitalisierung. Zur Belohnung wird sein Vertrag bis 2025 verlängert. Die Frage ist nur, wofür?
Volkswagen sorgt im Frühjahr 2021 für drei Schlagzeilen, die nicht nur das eigene Haus, sondern die "alte" Autowelt der PS und Power tief erschüttern:
Audi steigt beim Verbrennungsmotor aus
VW-Markenchef Brandstätter: "keine neue Verbrenner-Familie"
VW investiert Milliarden in eine eigene Einheitsbatterie
Hinzu kommen Meldungen aus Brüssel, die in Summe für die Zukunft von Verbrennermotoren das Ende bedeuten. EU-Kommissionär Timmermans kündigt an, die CO2- Flottengrenzwerte für Neufahrzeuge ab 2035 auf Null zu verschärfen. Die europäische Automobilindustrie - aber auch alle Importeure von Autos aus USA und Asien nach Europa - werden faktisch gezwungen, nur noch rein batterieelektrische oder Brennstoffzellen- Fahrzeuge neu auf den Markt zu bringen.
Das ist der Tod des Verbrenners auf fossiler Treibstoffbasis, ebenso wie von synthetischen Treibstoffen oder von Plug-In-Hybriden, dem neuen Hit der deutschen Hersteller. Und es ist genau das Gegenteil von Technologieoffenheit, zu der sich die Kommission und Vizepräsident Timmermanns immer bekannt haben.
Volkswagen-Chef Herbert Diess packt die Gelegenheit beim Schopfe, um seine branchenweit einmalige und technologisch monogame Elektro-Strategie zu rechtfertigen und präsentiert seine neue Konzernplanung bis 2030 namens "New Auto" - ein Wort-Homunculus, wie die Strategie selbst.
Für ihn ist es in jeglicher Hinsicht die Gunst der Stunde. Sein erbittertster Gegner, Bernd Osterloh, ist weg. Der mächtige Konzern-Betriebsratschef hat eine Vorstandsverantwortung bei der Lkw-Tochter Traton übernommen. Diess hat dadurch freie Hand, um den VW-Konzern einer bis dato einmaligen technologischen Revolution zu unterziehen. Er verordnet ihm eine doppelte Transformation: Zum einen weg vom Verbrenner, zum anderen hin zu Elektro und Digitalisierung. Die Speerspitze bildet Audi.
Audi
Die VW-Tochter will ab 2026 keine neuen Modelle mit Verbrennungsmotor mehr produzieren. Neue Modelle bekommen ab 2026 ausschließlich einen Elektroantrieb. Lediglich die existierenden Verbrenner werden als Auslaufmodelle weiterhin verkauft.
Bereits in vier Jahren - ein Jahr früher als bisher angenommen - soll das letzte neue Modell mit klassischem Verbrenner-Antrieb vom Band rollen. Das Auto wird laut Audi-Chef Markus Duesmann etwa sieben Jahre lang verkauft werden, also bis etwa 2032 oder 2033 - je nach Kundennachfrage. Danach ist Schluss, die Motorentwickler werden nach Hause geschickt oder ebenfalls "transformiert". Denn ebenso beschlossen ist das Aus für die gegenwärtig sehr erfolgreichen Audi-Hybridfahrzeuge. Ab 2026 bringt Audi nur noch neue Modelle auf den Markt, die rein elektrisch angetrieben werden.
Stolz präsentiert Volkswagen-Chef Diess seine Zukunftsstrategie mit den Worten: "Weil das Auto hier ist, um zu bleiben!" Für den heutigen Weltbestand von grob geschätzt allein 350 Millionen VWs dürfte das kaum gelten: Denn der wird schrumpfen, wenn die Autos in Zukunft nur noch als Roboter- und als Elektroautos auf Batteriebasis vom Band laufen.
VW
Basis der neuen Strategie ist bei VW die Elektrifizierung der Flotte: 2030 soll die Hälfte aller Konzernmodelle weltweit rein elektrisch fahren, 2040 will VW in den Hauptmärkten auf fast 100 Prozent kommen, womit sich Diess mit dem Wort "fast" immer noch eine Hintertür für den Verbrenner offenhält. Die Medien hat das allerdings nicht interessiert.
Aber Diess schafft Fakten: Für VW Elektroautos gibt es nur noch eine einzige neue Super-Einheitsplattform "Scalable Size Platform" (SSP) genannt, die ab 2026 über alle Marken und Baureihen vom Kleinwagen bis zum Oberklasse-SUV ausgerollt werden soll. Sie soll die Elektro-Plattformen MEB und PPE zusammenführen und sukzessive ersetzen. Audi-Chef Markus Duesmann, der im Konzernvorstand zugleich für Forschung und Entwicklung zuständig ist, bekräftigt: "Bis Ende des Jahrzehnts haben wir die SSP über alle Marken ausgerollt."
Diess kündigt das Ende der Entwicklung von Verbrennungsmotoren ab 2026 an, parallel zum Auslaufen seines Vertrags. Auf das Verbrenner-Ende bereitet sich VW bereits seit 2019 vor, die Produktion wird zunehmend auf E-Mobilität umgestellt, so in den Werken Emden und Zwickau. Bis 2030 soll die Hälfte aller verkauften VW-Fahrzeuge vollelektrisch sein. Zudem will VW den eigenen Wertschöpfungsanteil am Auto wieder erhöhen, wozu auch eine eigene Batteriefertigung entstehen soll: Bis 2030 sollen allein in Europa sechs konzerneigene Akkufabriken entstehen. Die Produktion erfolgt hier weitgehend vollautomatisch, die Wertschöpfung landet also nicht bei den Mitarbeitern, sondern vor allem bei ausländischen Rohstofflieferanten.
Porsche + Seat/Skoda
Die VW-Konzerntöchter Porsche und Seat/Skoda schließen sich der VW-Austiegsstrategie an. Porsche plant in den nächsten Jahren bis auf die 911-er Reihe aus dem Verbrennungsmotor in Gänze auszusteigen. Seat und Skoda planen einen sukzessiven Ausbau ihres Angebotes an elektrifizierten Modellen. Seat hat dazu zusätzlich eine Sub-Marke Cupra gegründet, die ausschließlich E-Autos produziert. Festlegungen eines fixen Zeitpunktes für einen endgültigen Ausstieg aus dem Verbrenner gibt es bei beiden Konzerntöchtern nicht.
Welche Konsequenzen hat das für den Konzern?
Die einzige sowohl aus global-ökonomischer wie aich aus marktspezifischer Sicht richtige Antwort hat BMW CEO Oliver Zipse, aktuell auch Präsident des Brüsseler Automobil-Dach-Verbandes ACEA, auf die Frage gegeben. Zipse warnte in Interviews vor einem "Schrumpfungskurs". Bei zu frühem Verbrenner-Abschied ginge "das halbe Marktvolumen verloren", ist sich Oliver Zipse sicher. Generell herrscht in der Branche die Meinung vor, dass der Markt für E-Autos in den nächsten Jahrzehnten allenfalls die Hälfte des Gesamtmarktvolumens erreichen kann. "Wenn ein Hersteller kein Verbrenner-Angebot mehr hat, dann geht ihm das halbe Marktvolumen verloren, und er befindet sich auf einem unternehmerischen Schrumpfungskurs." Hiernach gibt es nur eine Schussfolgerung: Volkswagen wird schrumpfen.
Zipses Hauptargument gegen den Ausstieg ist: "Die wahren Entscheider in unserer Industrie sind die Kunden. Und die sollte man nie aus den Augen verlieren." Zwar werde es in den kommenden 15 Jahren Städte, Regionen und Länder geben, in denen sich der Transformationsprozess zur Elektromobilität vollständig vollziehe. Aber in der Summe der weltweiten 140 BMW-Absatzmärkte werde das nicht der Fall sein.
Da Volkswagen mit seinem hohen Weltmarktanteil fast in allen Märkten vertreten ist, wiegt dieses Argument besonders schwer. Fest steht: Nur die hochentwickelten Industriemärkte werden auf Dauer den Betrieb und die Infrastruktur von Elektroautos ermöglichen können. Das Gros der Entwicklungs- und Schwellenländer konzentriert sich statt auf Elektroautos eher darauf, die täglichen Stromausfälle in den Griff zu bekommen. Für Elektromobilität fehlen schlicht die Ressourcen.
2020 wurden global laut VDA-Statistik 3.089.221 E-Autos und 67,27 Millionen Pkw neu zugelassen. Das bedeutet für Stromer einen durchschnittlichen Weltmarktanteil von 4,6 Prozent. Von 95 Prozent des Weltmarktes schneidet sich VW, Stand heute, ohne Verbrenner faktisch ab.
Der globale Pkw-Bestand macht es noch deutlicher: In den 33 Hauptabsatzländern für E-Autos waren laut VDA 2020 rund 1,6 Milliarden Autos zugelassen, davon rund 10 Millionen elektrifizierte Automobile. Und von diesen waren 6,8 Millionen reine Batterie-Elektroautos (BEV), wie sie der VW-Konzern bauen will. Folgt man der Statistik des Kraftfahrbundesamtes (KBA) liegt die Anzahl der Hersteller von Elektroautos heute bei über 20, die sich diesen sehr engen Markt teilen.
Die Crux ist: Selbst der Markt für BEV Autos in den hochentwickelten Industrieländern ist noch lange nicht reif für Elektromobilität. Nach Schätzungen von Honda werden die potenziellen Elektroländer erst 2040 voll für Elektrofahrzeuge erschlossen sein. Über höhere Marktanteile in den verbleibenden Hauptmärkten könnte man das zwar kompensieren, aber angesichts des scharfen Wettbewerbs ist das wenig wahrscheinlich. Die Ausstiegsbeschlüsse von Konzern-Chef Diess und Kollegen bedeuten somit nicht anderes als Schrumpfung der Absatz- und damit auch der Produktionsbasis.
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