RAUBTIERE IM GANZEN LAND AUF DEM VORMARSCH
Deutschlands Hirten zittern vor Wolfs-Attacken
Brandenburg/NRW/Hessen – Immer wieder reißen Wölfe wehrlose Schafe und Ziegen, in den letzten Wochen stapeln sich die Meldungen über Attacken der Raubtiere. Hinter den Meldungen verbergen sich nicht nur ausgelöschte Tierleben, sondern auch das Schicksal ihrer Hirten.
Auch Hobbyschäfer Hartmut Günther (59) aus Brandenburg ist betroffen. Er war schockiert, als Spaziergänger am Sonntag ein Blutbad auf der Elb-Weide meldeten, auf der seine Schafe lebten. Seine Familie hält verschiedene Rassen auf einem gepachteten Grundstück, ist seit über 25 Jahren im Geschäft.
Vor Ort entdeckte Günther sechs tote Tiere, allesamt blutüberströmt. Eines der Tiere wurde ganze 500 Meter von der Weide entfernt gefunden! Ein Schaf überlebte den Biss in die Kehle. Im Blutrausch hatte der Wolf die Schafe nicht gefressen. Ein typisches Verhalten – die Raubtiere töten so viele Tiere wie möglich, um ihre Beute später in Ruhe fressen zu können.
Wolf riss vier Muttertiere in NRW
Auch in Voerde (Nordrhein-Westfalen) gab es am Wochenende einen traurigen Vorfall. Dort haben ein oder mehrere Wölfe vier Schafe gerissen – alle vier Muttertiere waren trächtig mit ungeborenen Lämmern.
Besitzerin Ute Sprock (56) zu BILD: „Solange sich ein Wolf artgerecht verhält, hat er natürlich seine Daseinsberechtigung.“ Ihre Tiere stammen von der seltenen norwegischen Rasse Spaelsau, werden für ihre besonders weiche Wolle geschätzt. Sprock hat eine klare Forderung, sagt: „Aber wenn solche Dinge passieren, muss das Tier geschossen werden.“
Mit einem Schlachtwert von 300 Euro pro Tier ist allein der wirtschaftliche Schaden enorm – vom emotionalen Verlust ganz abgesehen! Sprock hatte ihre Herde mit einem 1,05 Meter hohen Zaun zu schützen versucht. Offenbar übersprangen der oder die Raubtiere den Zaun, wüteten im Gehege.
Jetzt zittern nicht nur Viehhalter. An den Wald, in dem die Wölfe leben sollen, grenzen ein Kindergarten und eine Grundschule. Ute Sprock ist sich sicher: „Man muss dem Wolf beibringen, Angst vor uns zu haben.“
Ganze Schafherde in einer Nacht ausgelöscht
Auch Matthias Loos (50) hat schlimme Erfahrungen mit Wölfen gemacht. Im Februar verlor der Mann aus Schlüchtern (Hessen) seine gesamte Schafherde. Seine Mischlings-Schafe wurden von Wölfen gerissen, eines ist bis heute verschwunden. Seine Familie hält auch Pferde, Kühe und Kälbchen. Loos zu BILD: „Natürlich macht man sich dann auch um diese Tiere Sorgen.“
Der Bauleiter interessiert sich seit seiner Kindheit für Schafe. Seine Tiere grasten auf einer dreieinhalb Hektar großen Weide, die nur 300 Meter vom nächsten Wohnhaus entfernt liegt. Loos: „Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie hat mir mit einem DNA-Abgleich bestätigt, dass zwei der Schafe von einem Wolf getötet wurden. Bei den anderen beiden ist es wahrscheinlich, aber nicht nachgewiesen, da ein Abgleich wegen längerer Liegezeit nicht mehr möglich war.“
Er bekommt 200 Euro „Schadenersatz“ vom Land für jedes vom Wolf gerissene Tier. Er sagt: „Es gibt Menschen, für die die Situation existenzbedrohend sein kann.“ Loos verweist auf den ortsansässigen Schäfer Wilfried Lenz (59), der 600 Mutterschafe besitzt. Er sagt gegenüber BILD: „Wenn von Seiten des Staates nichts unternommen wird, geht die Weidetierhaltung den Bach runter. Ich habe Kollegen, die bereits aufgegeben haben.“
Matthias Loos hat inzwischen Wildkameras installiert, will bei seinen Zäunen noch einmal nachrüsten. „Ich bin auf die Schafe angewiesen und werde mir deshalb wieder welche zulegen – in der Hoffnung, dass der Wolf nicht noch einmal zuschlägt.“
Inzwischen sind die grauen Raubtiere Gesprächsthema im gesamten 16 000-Einwohner-Städtchen. Auch wenn seit Langem keine Angriffe auf Menschen belegt sind, fürchten sich manche Anwohner vor dem Wolf. Loos: „Einige Spaziergänger und Jogger meiden den Wald vorerst.“
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