30 JAHRE DEUTSCHE EINHEIT
Meinung: Feiern wir lieber Vielheit statt Einheit
Millionen Menschen aus Einwandererfamilien fühlen sich von der Party ausgeschlossen, wenn Deutschland sein Einheitsjubiläum feiert. Ferda Ataman fragt in ihrem Gastkommentar: Wie schaffen wir eine inklusivere Einheit?
....... Die "Herstellung der Einheit Deutschlands", die vertraglich zwischen der DDR und Bundesrepublik geregelt wurde, verstanden viele Menschen als Einheit des deutschen Volkes. Und mit diesem "Volk" war kein demokratischer Souverän gemeint, sondern ein ethnischer Club.Mit völkischem Beigeschmack
Also wird die Deutsche Einheit in der Regel aus einer rein weißen Sicht betrachtet - weiße Ostdeutsche wiedervereint mit weißen Westdeutschen. Dass auf beiden Seiten aber auch Millionen Menschen aus Einwandererfamilien dabei waren, wird meistens vernachlässigt. Unerwähnt bleibt auch, dass die Wiedervereinigung für viele einen völkischen Beigeschmack hatte. Denn nach den Freudentränen entpuppte sich die Wende für Ausländer und People of Color als Zeit der Abwertung. Viele bekamen im Alltag zu spüren, dass sie nicht mehr erwünscht waren. Dabei trugen Migrantinnen und Migranten in beiden Teilen bis 1990 maßgeblich dazu bei, dass jene wirtschaftliche Kraft erarbeitet wurde, mit der die Lasten der Wiedervereinigung überhaupt erst geschultert werden konnten. Trotzdem waren sie ganz klar die Verlierer im vereinten Deutschland............Wir brauchen eine Erinnerungskultur, die die Vielfalt der Bevölkerung anerkennt und würdigt. Das bedeutet, dass auch postmigrantische Perspektiven in Schulbüchern, Museen, bei Denkmälern und Staatsakten sichtbar werden müssen. Deutschland muss sich endlich inklusiver zeigen als bisher. "Unity in diversity", dieser Leitsatz, den sich das Einwanderungsland Kanada, aber auch die Europäische Union gegeben hat, ist dafür sehr geeignet. Wir brauchen eine Einheit ohne Einheitlichkeit, dafür eine Gemeinsamkeit in Vielfalt.
Ein neues Einheits-Narrativ
Kurz: Wir brauchen einen 3. Oktober, der ohne Nationalismus und völkischen Firlefanz auskommt. Es ist höchste Zeit, dass aus dem nationalen Einheits-Tag ein demokratischer Vielheits-Tag wird, der die diverse Gesellschaft feiert, die Deutschland heute ist.
Denn "wir" sind längst eine pluralistische Republik. Auch Ibrahim und Trang werden seit der Staatsangehörigkeitsreform aus dem Jahr 2000 als Deutsche geboren. Was uns nach 30 Jahren fehlt, ist ein neues Einheits-Narrativ, das alle mitnimmt und einschließt. Zum Beispiel so: "Unsere Gesellschaft ist von Teilung, Wiedervereinigung und kontinuierlicher Migration geprägt. Was uns alle vereint, ist die deutsche Sprache, die Gesetze und unsere Verfassung. Gemeinsam sind wir Deutschland."........
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