Für Stefan Schneider* ist die Sache klar: „Die Tafel war lange Zeit am Monatsende meine Rettung.“ Wenn bei dem alleinerziehenden Vater das Geld am Ende des Monats nicht mehr reichte, ging er regelmäßig zur Tafel in seiner oberbayerischen Heimatstadt. „Dann gab es immer Brot, Gemüse oder auch mal Süßigkeiten für die Kleine“, sagt der Mann, der sein Hilfsarbeiter-Gehalt mit Hartz IV aufstocken muss.
Doch sein letzter Besuch bei der Essensausgabe liegt schon einige Zeit zurück. „Zwei, drei Stunden warten, um dann am Ende leer auszugehen.“ Das bringe ja nichts. Dann müsse er den „Gürtel eben noch enger“ schnallen, sagt er. Der Grund dafür ist der enorme Zustrom an Flüchtlingen.
Zwei Drittel der Hilfsbefürftigen sind Asylbewerber
Deshalb ist Schneider kein Einzelfall. Immer mehr der deutschlandweit 900 Tafeln haben zu wenige Lebensmittel, um alle Bedürftigen, zu denen inzwischen auch Tausende Flüchtlinge gehören, ausreichend zu versorgen.
„Die Lage ist zur Zeit sehr angespannt“, sagt der Chef des Bundesverbands, Jochen Brühl. 60.000 Helfer hätten bisher eine Million Bedürftige in Deutschland versorgt. Doch durch den Flüchtlingszuwachs sei die Zahl der Bedürftigen in nur wenigen Monaten um 150.000 nach oben geschnellt. Und das stellt die Tafeln vor beinahe unlösbare Probleme.
Bei den Tafeln in Schleswig-Holstein etwa sind mittlerweile zwei Drittel aller neuen Hilfssuchenden, Kunden genannt, Asylsuchende. „Es werden immer mehr Menschen und das führt zu dramatischen Auswüchsen“, warnte Frank Hildebrandt, Landesvertreter der Tafeln in Schleswig-Holstein bereits Anfang Oktober gegenüber den Zeitungen des „shz“.
Viele Städte wie Hamburg verhängen Aufnahmestopp
Mancherorts hat sich die Zahl der Bedürftigen in wenigen Monaten verdoppelt. Eine Vielzahl von Tafeln musste im nördlichsten Bundesland in den vergangenen Monaten sogar sämtliche Neukunden wegschicken. Selbst wer ganz offensichtlich akuten Hunger hat, muss dort mitunter wieder den Heimweg antreten.
Auch die Hamburger Tafel hatte bereits Anfang Oktober einen Aufnahmestopp verhängt. In den nächsten Monaten erwartet die Organisation einen "signifikanten" Anstieg an Bedürftigen., so Ralf Taubenheim, Geschäftsführer der Hamburger Tafel. „Da rollt etwas auf uns zu und wir wissen noch nicht, wie wir es bewältigen sollen", sagte er dem „Hamburger Abendblatt“.
Sogar im reichen Starnberg gibt es Probleme
In Hessen und Rheinland-Pfalz müssen zahlreiche Tafeln bereits seit Monaten sämtliche Neukunden wieder wegschicken - nicht zuletzt wegen des Flüchtlingsandrangs. Von dem Mangel an Lebensmitteln sind sogar mehrere Landeshauptstädte massiv betroffen. So verhängte etwa Mainz zuletzt einen Aufnahmestopp.
Auch aus Ostdeutschland kamen zuletzt Klagen. Und selbst der wohlhabendere der Süden der Republik ist massiv betroffen: Zählte etwa die Offenburger Tafel im vergangenen Jahr noch 20 Flüchtlinge pro Monat, waren es im Juni bereits fünfmal so viele. Sogar im Landkreis Starnberg, wo sich mancherorts Villa an Villa reiht, werden die Lebensmittel in den Tafeln knapp.
Neben Fleisch ist auch Gemüse Mangelware
Neben Fleisch, Wurst oder Milchprodukten ist vielerorts vor allem Gemüse Mangelware. Oft können nur deshalb noch neue Kunden versorgt werden, weil dafür alle anderen Bedürftigen weniger bekommen. Die meisten Tafeln versuchten, die zur Verfügung stehenden Lebensmittel möglichst solidarisch zu verteilen, sagt der Sprecher der hessischen Ländervertreter, Harald Würges. „Zwei Drittel unserer Kunden sind bereit zu teilen."
Besonders betroffen von den Mängeln ist laut dem Bundesverband der Tafeln das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen. „Die Zahl der Tüten, mit denen wir die Bedürftigen nach Hause schicken“, seien weniger geworden, heißt es beim dortigen Landesverband.
Schuld für Misere liegt auch bei Gemeinden und Händlern
Flüchtlinge haben kein Einkommen – und somit ein Anrecht auf Hilfe. Doch sind es vielerorts auch die Gemeinden, die für lange Warteschlangen bei den Tafeln sorgen: Sie drücken sich zum Teil vor einer adäquaten Versorgung der Asylsuchenden, wie Hilfsorganisationen bemängeln. Es gebe Fälle, da seien ganze Busladungen von Flüchtlingen zu Ausgabestellen der Tafeln gefahren worden, warnte etwa Schleswig-Holsteins Tafel-Boss jüngst.
Zudem ist die hohe Zahl von Flüchtlingen - bei gleichzeitig gesunkenen Spenden - zwar die Hauptursache für die Engpässe bei den Essensausgaben, jedoch keineswegs die alleinige: Supermärkte haben zuletzt ihre Logistik verbessert, weshalb weniger Ware in den Läden liegen bleibt. Auch gehen Geschäfte gehen zusehends dazu über, Ware kurz vor dem Ablauf der Mindesthaltbarkeit selbst billiger zu verkaufen. Das merken auch die Tafeln: Bei ihnen kommen weniger überschüssige Lebensmittel an.
Der Chef des Bundesverbands der Tafeln, Jochen Brühl, sieht nun vor allem den Staat in der Pflicht.
Die freiwilligen Leistungen der 60.000 Helfer dürfe nicht als selbstverständlich erachtet werden. „Die Versorgung von Bedürftigen ist Aufgabe des Staates“, betont Brühl. Auf diese Leistungen dürfe sich die Bundesregierung nicht verlassen.
http://www.huffingtonpost.de/2015/11...hp_ref=germany