ARD-Vorsitzender Buhrow spricht von „Not“ und droht mit Einschnitten im Programm
Wegen der Blockade aus Sachsen-Anhalt gegen einen höheren Rundfunkbeitrag wollen die öffentlich-rechtlichen Sender vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. ARD-Vorsitzender Tom Buhrow kündigte eine Klage noch im Dezember an. Das Deutschlandradio will einen Eilantrag stellen.
Die ARD-Anstalten wollen noch in diesem Jahr die Klage zum Rundfunkbeitrag beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Das kündigte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow am Mittwoch an. Ein Sprecher des Deutschlandradios erklärte, der Sender werde in Karlsruhe einen Eilantrag stellen. Damit entscheidet das Bundesverfassungsgericht möglicherweise noch in diesem Jahr über den Rundfunkbeitrag.
Wenn die Beitragserhöhung von monatlich 86 Cent für jeden Haushalt zum 1. Januar nicht kommen sollte, geht die ARD davon aus, dass Einschnitte beim Programm nötig werden. „Eines ist klar: Wir haben mit vielen Reformen, Kürzungen und Sparmaßnahmen im Großen und Ganzen ausgeschöpft, was man hinter den Kulissen tun kann“, sagte Buhrow der Nachrichtenagentur dpa. „Wir sind jetzt an einem Punkt: Wenn die von der zuständigen Kommission KEF errechnete Beitragsanpassung nicht kommt, wird man es im Programm deutlich sehen und hören.“
Betroffen wären alle Sender, so Buhrow, der auch WDR-Intendant ist: „Die beiden kleinsten Anstalten, Saarländischer Rundfunk und Radio Bremen, und dann auch der Hessische Rundfunk würden in besondere Verdrückung kommen. Dann kann man auch von Not sprechen“, sagte Buhrow weiter.
ZDF-Intendant Thomas Bellut äußerte sich am Dienstag ähnlich: „Die Beitragsanpassung ist jetzt in Sachsen-Anhalt zu einem politischen Streitthema geworden. Deshalb bleibt dem ZDF leider keine andere Möglichkeit, als das Bundesverfassungsgericht anzurufen.“ Das Verfahren sei ganz offenbar zum Spielball der Politik in einem Bundesland geworden – was das „staatsfern organisierte KEF-Verfahren“ eigentlich verhindern solle.
Ein Scheitern der Erhöhung träfe „die ohnehin von der Pandemie gebeutelte Branche massiv und nachhaltig“, sagte Bellut. „Das ZDF könnte seine Wirkung als größter Auftraggeber auf diesem Markt nicht mehr wie bisher entfalten.“
Vom Deutschlandradio hieß es, die bedarfsgerechte Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender ab 2021 sei nicht mehr gesichert. Man habe daher beschlossen, eine Verfassungsbeschwerde einzureichen. Intendant Stefan Raue betonte: „Schon jetzt müssen wir einen strikten Sparkurs verfolgen, um mit unseren Angeboten auch in der digitalen Welt sichtbar zu sein. Ein Ausbleiben der Erhöhung würde sich daher unweigerlich auf die Programmgestaltung auswirken.“
Die Rundfunkkommission der Bundesländer plant nach dem Stopp des Medienänderungsstaatsvertrages durch Sachsen-Anhalt ein Sondertreffen. Die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD) sagte dem Hörfunksender MDR aktuell, sie werde jetzt mit dem Co-Vorsitzland Sachsen zu einer außerordentlichen Sitzung der Kommission einladen. Dann werde gemeinsam überlegt, wie weiter vorgegangen werden soll. Rheinland-Pfalz hat den Vorsitz in der Rundfunkkommission inne.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte entschieden, im Landtag nicht über den Staatsvertrag der Länder zum Rundfunkbeitrag abstimmen zu lassen. Die Landes-CDU hatte trotz mehrerer Krisentreffen betont, sie werde einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 17,50 auf 18,36 Euro zum 1. Januar 2021 auf keinen Fall zustimmen.
Die Bündnispartner SPD und Grüne wollten das Vorhaben aller Länder hingegen mittragen. Die CDU hätte ihr Veto mit den Stimmen der AfD durchsetzen können. Eine gemeinsame Abstimmung mit der AfD wollte Haseloff aber auf jeden Fall vermeiden. SPD und Grüne hatten für den Fall eines CDU-AfD-Vetos mit dem Aus der seit 2016 regierenden bundesweit ersten Kenia-Koalition gedroht.
Die Linke in Sachsen-Anhalt erklärte am Dienstag, sie halte das Zurückziehen des Rundfunkstaatsvertrages im Landtag für unwirksam. „Der Ministerpräsident behauptet, dass er den Rundfunkstaatsvertrag gegenüber dem Landtag zurückgezogen hat, allerdings hätte er besser vorher in die Verfassung gucken müssen.“ Dort stehe eindeutig geschrieben, dass für die Einbringung von Gesetzentwürfen eine Beschlussfassung der gesamten Landesregierung vonnöten ist, „was wiederum dann auch für das Zurückziehen von Gesetzentwürfen gilt“, hieß es in einer Mitteilung der Landtagsfraktion.
Der Ministerpräsident habe aber mehrfach betont, dass es einen solchen Kabinettsbeschluss nicht gebe. Daher erwäge man, an das Landesverfassungsgericht nach Dessau zu gehen.
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