Voller Begeisterung:

Wie Flüchtlinge für ein deutsches Sportwunder sorgen



...Auf Deutschlands Sportplätzen spielen sich in letzter Zeit seltsame Szenen ab. Weiß gekleidete Herren stehen sich dort gegenüber und prügeln mit kurios geformten Schlägern auf einen betonharten Ball ein. Sie spielen: Cricket. Jenes durch und durch britische Spiel, das den meisten Deutschen so vertraut ist wie Fünf-Uhr-Tee oder frittierte Schokoriegel. Jener fremde Sport mit den schwer verständlichen Regeln, bei dem Matches eine Ewigkeit dauern und Länder wie die Westindischen Inseln zur Weltspitze zählen.

Cricket breitet sich im ganzen Land aus, neue Klubs entstehen. In Hamburg, Osnabrück, Heilbronn, Bautzen oder am Tegernsee. Überall dort, wo Flüchtlinge sind. "Es ist einfach unglaublich, was momentan passiert", sagt Brian Mantle, Geschäftsführer des Deutschen Cricket Bundes (DCB). "Unser Sport explodiert gerade."

Er schwärmt von den großen Chancen, die sich den Geflüchteten, aber auch Deutschland durch den Boom bieten. Dabei finden die Asylsuchenden beim Cricket weder zu Bratwurst und Bier, noch lernen sie deutsches Liedgut. Was hat das Ganze also mit Integration zu tun? "Sehr viel", so Mantle: "Als Ausländer kannst du nur glücklich sein, wenn du ab und zu ein Stück von Zuhause hast. Cricket gibt dir das."

An die Türen deutscher Vereine klopfen junge Männer aus dem früheren Commonwealth, aus Indien, Pakistan und Sri Lanka, aber auch aus Afghanistan, allein 2015 mehr als 40.000. Sie haben die Bomben satt, den Hunger und den Hass. Sie wollen ohne Angst leben – und spielen. Gelähmt von schwebenden Asylverfahren und ohne Arbeitserlaubnis sitzen sie dann in Deutschland erst einmal fest und kämpfen gegen die Tristesse. Die Cricketvereine geben ihnen wieder Hoffnung.

Sachsen hat jetzt eine eigene Cricketliga...
Das Problem mit cricketspielenden Flüchtlingen ist eben nur

Sie alle benötigen Ausrüstung, Spielfelder oder einfach nur Benzingeld, um zu einem Auswärtsspiel zu kommen. Aber die Kasse des Dachverbandes ist leer.
Während aber das Feld der Pegida-Unterstützer immer kleiner wird, wächst die Zahl der Cricketspieler stetig.

Zweimal pro Woche trainiert Mustafa Mugadbidi mit dem Cricket Club Dresden in einem Sportkomplex in den Elbauen. Ruhig und konzentriert reiht sich der 22-jährige Afghane in die Schlange der Mitspieler ein, nimmt dann ein paar Schritte Anlauf und schleudert die Kugel mit einer wuchtigen Bewegung in Richtung des Schlagmannes. "Good bowling", ruft einer der Mitspieler, guter Wurf.

Mugadbidi spielte in seiner Heimat für die Jugend-Nationalmannschaft, vor acht Monaten floh er, weil er als Journalist auch für westliche Organisationen gearbeitet hatte. Die Taliban schickten ihm Drohbriefe. "Sie sagten, wenn ich weiter schreibe und im Radio spreche, bringen sie mich um." Bei der Drohung blieb es nicht, eines Tages wurde er verprügelt, landete im Hospital. Auch seine Familie verjagten die Terroristen. "Wer bei uns für den Frieden eintritt, lebt gefährlich. Das ist doch verrückt", sagt der schmächtige junge Mann und verstummt. Sein Blick wird glasig.
Etwas abseits steht Sohail Khan, das Gesicht übersät mit splitterförmigen Narben, die er sich bei der Flucht aus Afghanistan zuzog. Vier Monate floh er zu Fuß über Bergpässe, per Fahrrad oder eingepfercht auf LKW, Wasser trank er aus Pfützen. "Ich habe mein Leben riskiert, aber ich musste dort weg." Die Taliban hatten seinen Vater verschleppt. Sohail hat nie wieder von ihm gehört. Der 18-Jährige spricht inzwischen fließend Deutsch, geht in Dresden zur Schule und will eine Mechanikerlehre absolvieren. "Am Anfang fühlte ich mich sehr einsam in Deutschland", sagt er. "Der Cricketklub hat mich wieder stark gemacht.
"Du bist nicht richtig im Spiel, wenn es nicht wehtut", sagt der Pakistaner Waqas Parvez, ebenfalls geflüchtet und mit einem abgeschlossenen Ingenieurstudium ausgestattet. Er zeigt seine Handflächen, sie sind voller Hämatome. Mustafa kommt dazu, sein kleiner Finger sieht aus wie ein Stück Ingwer. "Gebrochen", sagt er. Dann wirft er weiter. Waqas grinst nur. "Cricket ist eine Kunst. Auch wenn du es erst mal kapiert hast, ist es immer noch schwer."
An diesem Nachmittag sind gut 50 Geflüchtete auf den Sportplatz gekommen, einige tragen die typische weiße Schutzkleidung, die meisten jedoch nur ein normales T-Shirt und eine Jeans, denn eine richtige Ausrüstung können sie sich nicht leisten. Um die 500 Euro kostet das komplette Equipment. Obwohl der Klub inzwischen offiziell als Integrationsprojekt anerkannt ist, verwaltet der Vorstand den Mangel. Es gibt zwar Fördergelder vom Landessportbund, vom sächsischen Innenministerium, und ab und an spendiert ein privater Sponsor etwas, dennoch reicht das gerade mal, den Trainingsbetrieb aufrechtzuhalten. "Schlecht", sagt Vereinssprecher Severin Weiss, wenn er gefragt wird, wie es um die Finanzen steht.
Beim DCB sieht es nicht besser aus. Auch der Dachverband operiert momentan im Notstandsmodus. "Ich weiß langsam nicht mehr, wie wir den Ansturm bewältigen sollen", sagt Geschäftsführer Mantle. "Unser Jahresbudget ist aufgebraucht, wir haben nichts mehr, um den Leuten zu helfen. Kein Geld, keine Ausrüstung."
" Mantle sagt: "In England haben sie schon Angst, die Deutschen könnten sie bald nicht nur beim Fußball, sondern auch beim Cricket überholen." Das ist natürlich nur ein Spaß, denn so weit ist es noch lange nicht.

Dennoch sollen die Geflüchteten den Sport auf Dauer bereichern und die Klubs konkurrenzfähiger machen. Dafür muss Deutschland für sie ein Stück Zuhause werden. Dann könnte Dresden tatsächlich irgendwann seine erste deutsche Cricketmeisterschaft feiern. Davon träumen sie. Und dass endlich mehr Einheimische zum Schläger greifen. Denn Cricket, davon sind sie überzeugt, ist der schönste Sport der Welt.
http://www.welt.de/sport/article1555...er-sorgen.html

Die Einheimischen werden sich diese Sportart nur in den seltensten Fällen leisten können - bei diesen Kosten!

Aber man sieht: Durch die Flüchtlinge geht es mit Deutschland steil aufwärts!